Umweltschutzbewegung DDR
Sophia Tietjen
Created on April 22, 2022
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Transcript
Umweltbewegung in der DDR
"Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sorgen staat und gesellschaft für den schutz der NAtur "
-Verfassung der DDR von 1968-
Umweltverschmutzung in der DDR
Umweltverschmutzung in der DDR
Das Chemiewerk Buna bei Halle leitete täglich fast 20 Kilogramm Quecksilber in die Saale, also 10x so viel wie der westliche Chemiekonzern BASF in einem Jahr in den Rhein abließ.
Die DDR emittierte rund 5,6 Millionen Tonnen jährlich an Schwefeldioxid, der europäische Spitzenreiter.
Ein einziger Trabant stieß so viel Kohlenstoffmonoxid aus wie 100 westdeutsche Katalysator-Autos (insgesamt fuhren in der DDR knapp 3,5 Millionen dieser Fahrzeuge)
Der berüchtigte Silbersee in Bitterfeld/Wolfen wurde zur Entsorgung der Abwässer aus der Filmfabrik Wolfen genutzt (die 12 Meter dicke Schlammschicht war stark schwermetallhaltig, auch große Mengen an Schwefelwasserstoff lagen vor -> starke Geruchsbelastung)
Etwa ein Drittel der DDR-Gewässer war biologisch tot, nur drei Prozent hatte noch Trinkwasserqualität
Was tat die Regierung?
- Sero-System
- 4,5 % der DDR war Naturschutzgebiet
- Durch Heizen mit Rohrsystemen wurde Energie effizienter genutzt
-im Raum Halle/Leipzig grassierten Asthma, Bronchitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
-in der Chemieregion Leuna/Bitterfeld/Wolfen litt jedes zweite Kind an Atemwegserkrankungen
-Arsen und Bleistaubspuren wurden in den Haaren und dem Urin vieler Kinder in der Region rund um das Hüttenkombinat "Albert Funk" in Freiburg bei Karl-Marx-Stadt gefunden
Situation der Bürger
"Sie haben die Leute nicht gesehen, sie haben die Leute gerochen. Und dann machten sie die Tür auf und sie wussten genau, das Wartezimmer sitzt voll Mölbiser* Leute."
Nikolaus Voss
Jörn Mothes
Olaf Nassner
"Wir haben erreicht das Thema Umwelt auf die Tagesordnung zu setzen. Wir wollten Aufmerksamkeit für Umweltprobleme und damit die ökonomischen Schwierigkeiten der DDR."
-Nikolaus Voss-
- Jörn Mothes kannte Olaf Nassner und Nikolaus Voss aus der Schule und der evangelischen Jugendarbeit
- die Kirche bot ihnen den Schutz, über die Umweltprobleme der DDR frei zu sprechen
- 1989 tritt er dem Neuen Forum bei sowie dem Bürgerkomitee zur Auflösung der Staatssicherheit in Gera und Jena
- als Oppositioneller saß er am Runden Tisch der Volkskammer
- 1990 1. Leiter des Müritz-Nationalparks
- seit dem Ende der DDR arbeitet er als Bundebeauftragter im Beirat für Stasiunterlagen
- er ist studierter Theologe
Interview mit Jörn Mothes bezüglich der Baumpflanzaktion in Schwerin 1979
Frage: Die expliziten Zahlen und Daten zur Umweltverschmutzung in der DDR wurden lange
Zeit von der Regierung geheim gehalten. Was genau bewog Sie nun als Gruppe von
Jugendlichen die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und etwas gegen die Probleme
zu unternehmen? Und inwiefern spielte ihr christlicher Glaube dabei eine Rolle?
Jörn Mothes: Wir konnten und wollten nicht tatenlos zusehen, wie die Welt und unsere Umwelt
zerstört werden. Dagegen nur zu protestieren, war uns zu wenig. Außerdem wären wir dafür in der
DDR sehr schnell politisch verfolgt und verhaftet worden. Wir wollten etwas Praktisches tun,
um aus der Erstarrung herauszukommen. Und natürlich sollten unsere Aktionen auch
sichtbar sein und Leute motivieren, sich anzuschließen. „Bewusstseinsbildung“ nannten wir
das damals.
Der christliche Glaube spielte eine Rolle, weil wir die Erde als Gottes Schöpfung ansahen und
das hatte für uns mit Respekt zu tun. Auch so grenzten wir uns ab von denen, die in der
Natur nur eine Ressource sahen, die man einfach so nutzen und verbrauchen kann. So war
nämlich das Verständnis von der Natur in der marxistisch-leninistischen Philosophie, wie wir
es in der Schule lernten. Dagegen opponierten wir.
Frage: In welchen Umweltbereichen sahen Sie persönlich weitere Problemstellen in Ihrer
näheren Umgebung?
Jörn Mothes:
- Das ökologische Umkippen der Seen wegen der hohen Nitrateinträge aus der
Landwirtschaft (chemische Düngung);
- Müll und Abfall (Eröffnung der Deponie Schönberg / heute IAG Ihlenberg im
Sperrgebiet an der Grenze kurz vor Lübeck)
- Waldsterben
- Autobahnneubau A 14 (Ludwigslust-Wismar) durch Landschaftsschutz- und
Trinkwasserschutzgebiet am Pinnower See
Frage: Wo anfangs noch knapp 50 Jugendliche sich an der Baumpflanzaktion beteiligten, wuchs
die Zahl der Teilnehmer in den Folgejahren stark an. Wie war Ihre Reaktion auf das steigende
Engagement? Fühlten Sie sich dadurch umso mehr in Ihren Ideen und Forderungen bestärkt?
Jörn Mothes: Ja, wir fühlten uns bestärkt durch die zunehmenden Teilnehmerzahlen und unser
Programmangebot wurde sehr ausgeweitet (Rahmenvorträge, Umweltgottesdienste,
Erfindung der „Schweriner Ökologieseminare“ ab 1980 (bis 1990)
Frage: Die Baumsetzlinge bezog Ihr damaliger Mitstreiter Olaf Naasner aus einem Betrieb, in
welchem er selbst als Lehrling arbeitete. Gab es Befürchtungen, dass das
Unternehmen dadurch in den Fokus des Staatsicherheitsdienstes geraten könnte?
Jörn Mothes: Ja, es gab die Befürchtungen und das passierte dann auch. Die Zusammenarbeit mit
dem Grünanlagenbetrieb wurde verboten, nachdem der SPIEGEL über uns berichtet und mit mir ein
Interview geführt und veröffentlicht hatte. Der Betriebsleiter wurde bestraft und hat den
Kontakt zu uns abgebrochen, leider.
Frage: Fürchteten Sie selbst die Aufmerksamkeit der Staatssicherheit auf sich zu ziehen?
Jörn Mothes: Naja, fürchteten ist nicht der richtige Begriff. Wir wussten ja, dass das passiert und
wir für unsere Überzeugungen einstehen mussten. Wir sahen das als unsere
Verantwortung an mit allen Konsequenzen. Und die gab es dann ja auch. Bei mir z.B.
später Studienverbot und anderes, was in 8 Bänden Stasiakten dokumentiert ist.
Frage: Welche Gründe ließen Sie dennoch mit Ihren Aktionen fortfahren?
Jörn Mothes: Unsere Überzeugung, dass wir das Richtige tun und dass wir Viele sind (siehe fridays for future).
Frage: Ihr Engagement beschränkte sich im Laufe der Zeit nicht nur auf das Pflanzen von
Bäumen, sondern Sie wollten auch den Bau einer Autobahn von Schwerin nach
Wismar unterbinden. Wie genau wollten Sie das erreichen und welche Hürden
stellten sich Ihnen eventuell dabei in den Weg?
Jörn Mothes: Wir haben massenhaft sogenannte „Eingaben“ schreiben lassen von Bürgern und
Freunden und Bekannten. Die wurden mit Fragen an die öffentliche Verwaltung
gestellt oder als Staatsratseingabe an Erich Honecker nach Berlin geschickt. Glaubt
man den Stasiakten, gab es in Schwerin mehr als 600 solche schriftlichen Eingaben.
Übrigens auch von SED – Genossen (z.B. der Parteigruppe am Theater). Wir zogen also
umher (in Gottesdiensten, Kirchenkreisen, Theater, Jugendclub, heimlich in Schule
und Betrieben) und sprachen alle Leute an die wir kannten und baten sie, solche
Eingaben / Petitionen zu schreiben. Die musste der Staat beantworten – und es gab
dann immer sozusagen ein Formschreiben als Antwort.
Und wir organsierten Protestfahrradradfahrten mit Plakaten auf das Gelände der
Autobahnbaustellen und markierten die Natur, die zerstört werden sollte (und
wurde). Und wir erfassten die dort lebenden Brutvögel (viele von uns waren
Ornithologen) usw… Als es der Stasi zu bunt wurde mit dem Fahrradkorso am 5. Juni
(Weltumwelttag), koppelten sie die Frachthänger von den Zügen aus den Großstädten
ab, die nach Schwerin fuhren. Damit konnten unsere Freunde aus der ganzen DDR
am 5. Juni mit ihren Fahrrädern nicht anreisen und die Demo fiel weitestgehend aus.
Frage: Sie selbst wurden der Staatssicherheitsbehörde zugeführt. Was genau geschah damals?
Jörn Mothes: Ich wurde von einer Stasispezialeinheit in der Wohnung von Frau Anne Drescher
zur „Klärung eines Sachverhaltes“ mitgenommen und zur Polizei gebracht. Dort machte man
mir unmissverständlich klar, dass ich die Veranstaltung (Fahrraddemo) abzusagen hätte.
Andernfalls würde ich bestraft werden wegen Nichteinhaltung der
„Veranstaltungsverordnung“ und in den Knast gehen.
Unsere Wohnungen wurden durchsucht, die Telefone unserer Eltern abgehört, die Post
gelesen und kopiert usw. – alles heute in den Stasiakten nachlesbar.
Es war eine sehr schreckliche Situation, als ich - in einem verdunkelten Kleinbus vorbei an
vielen Bekannten die mich ja nicht erkennen konnten - durch die ganze Stadt gefahren
wurde auf den Hof der Polizeizentrale (heute Innenministerium in Schwerin).
Frage: Die SED-Führung stellte den wirtschaftlichen Aufschwung an erste Stelle und vermittelte
dies auch so an die Bürgerinnen und Bürger.
An Ihren Baumpflanzaktionen beteiligten sich mehrheitlich Menschen in Ihrem Alter,
bestand bei den Jugendlichen also bereits ein Bewusstsein für den Umweltschutz oder
musste dieses erst noch geschaffen werden?
Jörn Mothes: Bei denen die teilnahmen, bestand es schon, aber wir wollten alle anderen auch erreichen
Frage: Kommunizierten Sie auch mit anderen Umweltschutzgruppen? Wenn ja, wie
bewerkstelligten Sie das?
Jörn Mothes: Ja, wir hatten DDR-weit und auch in die BRD sehr viele und sehr gute Kontakte. Wir
reisten alle extrem viel durch die ganze DDR und besuchten uns. Überall gab es eine Matratze zum
Übernachten. Es gab auch illegale Kuriere, die Materialien und Bücher und Zeitschriften
durch die DDR transportierten.
In Berlin bildete sich mit der Umweltbibliothek an der Zionskirche eine Zentrale und
sozusagen eine Informationsdrehscheibe. Sie wurde geleitet von Carlo Jordan, Wolfgang
Rüddenklau und Tom Sello. Alle Umweltaktivisten fuhren dort regelmäßig so oft es ging vorbei. Im
November 1987 stürmte die Stasi die Kellerräume der Bibliothek, verhaftete die Träger der Bibliothek
für einige Tage und führte alle dort anwesenden sonstigen Leute zu (auf LKW verladen).
Da war ich zufällig auch dabei, weil ich an dem Abend auch in Berlin in der Bibliothek war.
Frage: Abschließend noch eine Frage zur aktuellen Situation in Deutschland: Wie sehen Sie die
derzeitige Bereitschaft und das Bewusstsein Jugendlicher sich für Umwelt- und Klimaschutz
zu engagieren? Welchen Rat würden Sie Jugendlichen mitgeben, die sich dafür einsetzen
und versuchen etwas an der aktuellen Lage zu ändern?
Jörn Mothes: Ich freue mich, dass es auch jetzt junge Leute gibt, die sich so engagieren und ich
arbeite – auch beruflich – mit ihnen eng zusammen und beteilige mich auch an Aktionen.
Aber es müssten viel mehr sein. Und ich wundere mich, dass die meisten jungen Leute sich
so zahm und so vernünftig verhalten und so wenig „realistische Radikalität“ in ihren
Forderungen an Politik und Gesellschaft herantragen.
Wir müssen unserem Planeten Erde mit all unseren Sinnen und mit all unserer Kraft
gegenübertreten jeden Tag, weil wir ein Teil davon sind. In der DDR haben wir im
„Konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“
gelernt, diese drei Ebenen zusammen zu sehen. Heute haben wir dafür in der säkularen
Gesellschaft den etwas technischen Begriff „Nachhaltigkeit“ und die Kirche hat ihre
revolutionäre und motivierende Rolle gänzlich verloren.
Wie reagierten die machthaber auf die bewegung?
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