Theologie 12.2.
Patrick Hehmann
Created on March 8, 2022
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Transcript
Theologie
übersicht zum Halbjahr
I. Gott - nah und verborgen
II. Menschwerdung Gottes: Jesus
Infotext
Auch die sonstige Betrachtung der Theophanie im Dornbusch zeigt die Spannung zwischen Nähe und Unverfügbarkeit Gottes.
Ergebnisse der Analyse
Die Erscheinung Gottes im brennenden Dornbusch erfolgt zu einer Zeit, in der das Leid der Israeliten in Ägypten einen absoluten Höhepunkt erreicht hat. Zudem ist auch Moses Biografie in einer schier ausweglosen Situation angekommen. Gott konstelliert die Begegnung am Dornbusch, um Mose zu verstehen zu geben, dass Er sein geliebtes Volk nicht vergessen hat. Darin liegt die immens symbolhafte Bedeutung des Phänomens des brennenden Dornbusches. Der Gott Israels will dem noch ahnungslosen Mose augenfällig zeigen, dass Er mit den Hebräern in ihrem Leid verbunden ist, und benutzt dazu ein armseliges, unansehnliches, für den Menschen nutzloses Gewächs – einen Dornbusch! In der Niedrigkeit des Dornbusches erfolgt die Identifikation Gottes mit der Erniedrigung seines geliebten Volkes unter dem Joch der Ägypter. Mose kann sich ein Bild davon machen, wie Gott von seiner erhabenen Majestät niedersteigt in die Tiefe des menschlichen Lebens und Leidens. Auch das Brennen und Nicht-Verbrennen des Dornbuschs ist symbolhaft verknüpft mit dem Leiden der Hebräer in Ägypten. So wie der armselige Dornbusch der Macht des Feuers ausgesetzt ist, ohne von ihm verzehrt zu werden, so ist Israel der ägyptischen Willkürherrschaft ausgesetzt, ohne von dieser ausgelöscht zu werden. Gott geht über Mose mit seinem Volk ein Bündnis ein, das im gesamten Buch Exodus beständig bleibt, auch wenn die Beziehungsgeschichte recht wechselhaft ist.
Neben der Identifikation mit seinem Volk sind der Dornbusch und die Erzählzusammenhänge der Offenbarung auch auf anderer Ebene bedeutsam: Gott zeigt sich nicht unmittelbar. Mose wird aufgefordert, auf Abstand zu bleiben, die Schuhe auszuziehen. Selbst wenn Mose näher heran getreten wäre, der Busch wäre mit seinen Dornen und den Flammen nicht „fassbar“ gewesen. Gott lässt erst das Feuer (1) und dann seinen Boten, den Engel (2), aus dem Strauch heraus sprechen. Dann erst spricht die Gottheit selbst (3) mit Mose. Hier hat Mose seinen Blick aber bereits abwenden müssen. Mose ist es trotz der unbestreitbaren Nähe Gottes nicht möglich, Gott ganz zu fassen. Gott ist mit irdischen Maßstäben und mit menschlichem Verstand nicht in Gänze zu verstehen. Gott selbst ist ohnehin nicht an irdische Maßstäbe gebunden (s. der Busch verbrennt nicht = Transzendenz).
Interessant ist auch der Name, den Gott Mose mitteilt. Es ist kein menschlicher Name, wie wir ihn untereinander verwenden. Er ist nicht männlich oder weiblich. Auch die zeitliche Unabhängigkeit (keine Kontingenzbindung) wird deutlich, denn Gott stellt den Rückbezug zur Vergangenheit her: Ex3, 15: „Ich bin der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“. Der Name JHWH lässt sich dabei sowohl präsentisch („Ich bin da“) als auch zukünftig („Ich werde sein, der ich sein werde“) übersetzen. Damit verknüpft Gott in seiner Offenbarung vor Mose Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart.
Theophanie im Dornbusch
Gotteserfahrung zwischen Nähe und Unverfügbarkeit
01
UNBEGRENZTHEIT: Der Gottesname verknüpft mit seinen Bedeutungsebenen Gegenwart ("Ich bin da") und Zukunft ("Ich bin der, der ich sein werde.")
02
Durch den historischen Rückbezug ("der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs") wird auch die dritte zeitliche Dimension angesprochen
UNVERFÜGBARKEIT: Ich bin da, so wie ich es will und nicht so, wie ihr es gerne hättet.
ZUVERLÄSSIGKEIT: Ich bin da in der Not. Ihr könnt euch auf mich verlassen.
AUSSCHLIESSLICHKEIT: Ich bin da – ich bin ich und kein anderer; damit müsst ihr fest rechnen.
03
04
Theophanie im Dornbusch
Einführungtext (bitte klicken)
Ausgangspunkt der monotheistischen Religionen ist in der Regel einer der Kontingenzerfahrung (Erfahrung der irdischen Bedingtheit, d.h. wir merken, dass wir unser Leben nicht in der Hand haben, sondern dass vieles von Faktoren abhängig ist, die wir nicht beeinflussen können) entgegenstehenden Transzendenzerfahrungen. In diesen denen der Mensch merkt, dass es eine höhere Macht, etwas Numinoses gibt, die nicht an die Kontingenz (irdische Gesetzmäßigkeiten) gebunden ist. In Judentum, Christentum und Islam sind Zeugnisse von Gottesoffenbarungen (=Theophanie) in den zentralen Schriften (Tora, Koran, Evangelium) überliefert, die sich allerdings in Teilen unterscheiden.
Anders als im Garten Eden offenbart sich Gott im Alten Testament nach der Ausweisung aus dem Paradies (s. Ex 3: „Sündenfall“) dem Menschen in der Regel immer vermittelt. Dabei werden z.B. Engel zur Manifestation Gottes auf Erden. Eine Schlüsseloffenbarung nimmt im AT gewiss die Berufungsgeschichte Moses in Ex 3 ein, in der Gott auf „Du und Du“ (s. Zahrnt) geht und doch ein Geheimnis bleibt: Gott offenbart sich (=deus revelatus) und bleibt doch verborgen (=deus absconditus).
Exkurs: Von Gott berufen
Ein wichtiger Begriff im Zusammenhang der Gottesberufung und deren Befolgung ist aus christlicher Perspektive die "Nachfolge". Darunter versteht man eine Lebensgestaltung, die sich am Verhalten Jesu (solus christus) und seiner Verkündigung orientiert. Ihren Ausgangspunkt können wir bereits im Neuen Testament entdecken, wenn Jesus seine Jünger beruft und die ihm radikal nachfolgen. Die radikale Konsequenz dieser Nachfolge wird auch in den Antithesen oder im Verzicht auf Besitz (s. Mk 10, 21: Vom reichen Jüngling) deutlich. An den Beispielen von Jesus selbst und auch Stephanus kann verdeutlicht werden, dass die Nachfolge auch bedeuten kann, Bereitschaft zum Ertragen von Leid zu zeigen. Der inhaltliche Schwerpunkt der Nachfolge liegt dabei in der Botschaft vom Reich Gottes (s. 13.1), dessen Wirken in Gleichnissen und Wundern Jesu bereits erlebbbar wird( präsentische Eschatologie). Hierbei sind die Verweise auf die gelebte Barmherzigkeit zum Nächsten und aus Liebe geschenkte Gnade Gottes unverzichtbar. Nachfolge drückt sich kirchlich insbesondere in der Diakonie aus (vgl. Mt 25: Werke der Barmherzigkeit) und der Wahrnehmung von Verantwortung. Auf der Seite sind einige Menschen, die - berufen durch den Appell zur Nachfolge - besonderen Einsatz im Sinne des Reiches Gottes gezeigt haben. Dabei kann Nachfolge auch - wie bei Bonhoeffer - in bedrückenden Zeiten politisch gedacht werden.
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer war fest davon überzeugt, dass Christen niemals gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten machen dürfen. Er wusste aus tiefster Überzeugung, dass es Unrecht ist, Menschen in Rassen einzuteilen und anschließend einzelne Volksgruppen wie Juden sowie Sinti und Roma zu verfolgen. Noch im Jahr 1933 wurden Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Vereine von den Nationalsozialisten „gleichgeschaltet": Die Deutschen Christen waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte. Einige mutige Pfarrer wollten diese „Gleichschaltung" nicht hinnehmen. Nachdem die „Ariergesetze" verabschiedet wurden, gründeten sie die „Bekennende Kirche", der sich auch Dietrich Bonhoeffer anschloss. Nach zweijährigem Aufenthalt in England kehrte er nach Deutschland zurück und bildete von 1935 bis 1937 am Predigerseminar der „Bekennenden Kirche" Nachwuchspfarrer aus. Als das Predigerseminar 1937 verboten wurde, arbeitete Dietrich Bonhoeffer im Untergrund bis 1940 weiter, bis auch das nicht mehr möglich war. Am 22. August 1940 erhielt Bonhoeffer wegen seiner „volkszersetzenden" Tätigkeit Redeverbot und durfte von März 1941 an auch nicht mehr schreiben. Mit Worten konnte er nun nichts mehr gegen die Nazis ausrichten. Der nächste Schritt fiel dem Pfarrer, der sich immer für den Frieden eingesetzt hatte, sehr schwer. Als ihm hohe Offiziere der deutschen Wehrmacht von den Massenmorden an Juden, Sinti und Roma, politisch Andersdenkender und Homosexueller berichteten, schloss Bonhoeffer sich dem militärischen Widerstand an. Bonhoeffer gelang es, mit der Organisation des „Unternehmens 7“ einer Gruppe von Juden die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Obwohl ihm Gewalt widerstrebte, war er zu der Auffassung gelangt, dass nur ein Attentat auf Adolf Hitler den wahnsinnigen Massenmörder stoppen und Millionen von Menschen das Leben retten konnte. Die Widerstandsgruppe, für die auch Dietrich Bonhoeffer arbeitete, verübte im März 1943 zwei Attentate auf Adolf Hitler. Doch beide schlugen fehl. Am 20. Juli 1944 unternahm Graf Stauffenberg ein letztes Attentat auf Adolf Hitler. Auch dieses überlebte der Diktator unversehrt. Die Jagd nach den Hintermännern führte die Nazis zu den „Verschwöreren", die daraufhin verhaftet und angeklagt wurden. Es gab zwar weder Beweise noch Zeugen oder gar Geständnisse, doch die Widerstandskämpfer hatten keine Chance vor Gericht. Selbst Dietrich Bonhoeffer, der zum Zeitpunkt des Attentats im Gefängnis saß, wurde als Mitverschwörer angeklagt. Dietrich Bonhoeffer wurde zum Tode verurteilt. Nur einen Tag später, am 9. April 1945, mussten die Männer, die Hitler stoppen wollten, sterben. Dietrich Bonhoeffer war 39 Jahre alt, als er kurz vor seinem Weg zum Galgen einem Mitgefangenen seine berühmt gewordenen letzten Worte mit auf den Weg gab: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens."
Vor 2000 Jahren hat Saulus die ersten Christen verfolgt und ihre Gemeinde verwüstet. In Damaskus strebt er das Gleiche an. Aber „nicht weit vor der Stadt“, so die biblische Überlieferung, wird seine Mission durch einen „Lichtblitz“ beendet. Erblindet wird Saulus nach Damaskus geführt und geheilt. Aus Saulus wird Paulus, der wohl wichtigste Missionar und letztlich einer der einflussreichsten Gestalten der der Kirchengeschichte. Und damit steht Paulus wie kaum ein Zweiter Paulus für die ganze Bandbreite menschlicher Existenz: für Schuld und Sühne, für Gnade und Erlösung, für Bekehrung und Zuversicht.
Albert Schweitzer (geboren am 14. Januar 1875 in Kaysersberg im Oberelsass, gestorben am 4. September 1965 in Lambaréné, Gabun) war deutscher Arzt, Theologe, Musiker und Philosoph.
Mit 30 Jahren beschloss er Medizin zu studieren, um als Arzt dem Rufe Jesu Christi nachzufolgen und Menschen helfen zu können. 1913 gründete er in Französisch-Äquatorialafrika (heute Gabun), an einem Fluss von Afrikas Westküste, das Urwaldkrankenhaus Lambaréné. Unzähligen Kranken hat Albert Schweitzer zusammen mit seiner Frau, seiner Tochter Rhena und seinen Mitarbeitern geholfen. Dabei musste er immer wieder nach Europa fahren, um durch Vorträge, Orgelkonzerte und schriftstellerische Arbeiten dringend benötigte finanzielle Mittel zu beschaffen. Mittelpunkt seines Lebens und Wirkens war die Ehrfurcht vor dem Leben und auch das Recht zum Leben - zu jedem Leben. Er sagte dazu einmal: „Es gibt keinen Unterschied zwischen wertvollen und weniger wertvollen Leben“.
Immer wieder rief er zur Erhaltung des Friedens auf der Welt auf. In vielen Reden und Appellen wandte er sich schon in den fünfziger Jahren gegen Atomwaffen und beschwor die Welt, diese Waffen abzuschaffen, damit verhindert werde, dass die Menschheit durch eine weltweite Katastrophe sich selbst zerstöre.
Albert Schweitzer bekam für seine Arbeit viele Auszeichnungen: den Goethe-Preis (1928), den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1951), den Friedensnobelpreis (1952) und den Orden der Friedensklasse des 'Pour le Mérite' (1954). Er wurde außerdem 1959 zum Ehrenbürger der Stadt Frankfurt am Main ernannt. Viele Plätze, Straßen oder Schulen wurden nach ihm benannt. Albert Schweitzer war eine der größten Persönlichkeiten unserer Zeit. Er war ein großes Symbol für die aktive Nächstenliebe . Er sagte einmal: „Wer von eigenem Leid verschont ist, hat sich berufen zu fühlen, das Leid der anderen zu lindern." Und nach diesem Grundsatz hat er gelebt.
Martin Luther King war ein afroamerikanischer Pfarrer, der durch seinen gewaltfreien Widerstand gegen die Unterdrückung der schwarzen Einwohner während der 60er Jahre in den USA berühmt geworden ist. Kings Vorbild war Mahatma Gandhi, der in Indien mit Erfolg gewaltlosen Widerstand gegen die Engländer geleistet hatte. Auch King wollte ohne Gewalt, durch friedlichen Ungehorsam erreichen, dass die Diskriminierung der schwarzen Einwohner und die Rassenhetze aufhörte.
Martin Luther King wollte sich damit nicht abfinden. Er organisierte Demonstrationen und Widerstandsaktionen. Sehr berühmt wurde seine Rede, die er bei einer der größten Demonstrationen gegen Rassenhass in Washington hielt. Die Rede begann mit den Worten „I have a dream“. Darin sprach er über seinen Traum von einer freiheitlichen Gesellschaft ohne Rassengrenzen.
Er wurde häufiger verhaftet und auch zu Gefängnisstrafen verurteilt. Er ließ sich davon aber nicht einschüchtern und erhielt 1964 für sein mutiges Eintreten für den Frieden den Friedensnobelpreis. Im gleichen Jahr wurde ein Gesetz beschlossen, das die Diskriminierung in vielen Bereichen verbot. Am 4. April 1968 wurde Martin Luther King erschossen. Die Hintergründe des Attentates sind bis heute unklar.
Tafelbild Spannungen der Gottesrede der Exoduserzählung
Die Bibel verkündet Gott, ist dabei sehr vielfältig in der Auszeichnung Gottes. Dies haben wir an der Exoduserzählung verdeutlicht.
Gott: ein Geheimnis. Biblische Rede von Gott
Gott der Schöpfer und Gegenüber (=Dialogpartner) des Menschen: Das Buch Genesis
Siehe hierzu gerne in Schöpfungserzählungen und wiederhole, wie zielgerichtet und souverän Gott in der Priesterschrift und wie partnerschaftlich und fürsorglich Gott im Jahwist-Text auftritt.
Trotz der - heute oft neu interpretierten - "Ausweisung aus dem Paradies" wendet sich Gott immer wieder Personen zu. In Berufungsgeschichten ist Gott der Ansprechende, der Menschen auswählt und ihnen eine Aufgabe (für das Volk Israel) überträgt (Noach, Abraham, Mose, David, Propheten ...). In den zahlreichen Erzählungen von Bedrohung und Rettung (Noach, Mose, David, Elija) . erweist er sich als Gott, dem man vertrauen kann und der einem nicht im Stich lässt. So fordert er Noah vor der Sintflut auf, die Arche zu bauen. Er will mit den Menschen und seiner Schöpfung weitermachen. Nach der Sintflut schließt Gott mit Noah einen Bund (Zeichen: Regenbogen, Taube und Ölzweig) und verspricht, dass er nie wieder eine Flut senden werde. Auch mit Abraham schließt Gott einen Bund und verheißt ihm Segen und eine große Nachkommenschaft.
Weibliche Gottesbilder
Die feministisch-kritische Theologie hat in jüngerer Zeit vermehrt darauf hingewiesen, dass die Bibel auch weibliche Gottesbilder kennt, wie z.B.:
Gott als Mutter Jes 66,13; oder stillende Mutter: Hos 11,4;
Gott als Gebärende: Dtn 32,18;
als Geburtshelferin/Hebamme: Ps 22,10-11; Jes 66,8-9
Gott als Adlermutter: Ex 19,4 und Dtn 32,11-12
Gott als Bündnispartner. Zwischen Auserwählung, Rettung, Begleitung und Strafe: Das Buch Exodus als Beziehungsgeschichte zwischen Mensch und Gott
Die Exoduserzählung zeigt, wie Gott mit seinem Volk einen Bund schließt. Dieser begründet sich in den Geschehnissen des Exodus. Gott rettet sein Volk aus der Versklavung durch die Ägypter und versorgt sein Volk auf der vierzigjährigen Wüstenwanderung.
Das zeigt sich daran, dass Gott die Zehn Gebote und das Bundesbuch mit den Worten einleitet: „Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat; aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20,1-2). Gott verbindet mit dem Bund am Sinai die Zusage der Erwählung Israels als Volk Gottes. Formal erinnert der Dekalog an einen Vertragstext. Der einleitende Satz stellt gewissermaßen die Leistung des Vertragsgebers dar. Die Zehn Gebote sind der Teil, den das Volk als Vertragsnehmer erbringen muss und will. Obwohl Gott von der Nichtbefolgung seiner Weisungen durch das Volk zutiefst enttäuscht ist, lässt er sich von Mose dazu bewegen, gnädig zu sein und dem Volk zu verzeihen.
Bei aller Zuwendung Gottes darf nicht verschwiegen werden, dass es auch düstere Gottesperspektiven gibt. So wagt Gott mit Noah und allen Tieren zwar einen Neuanfang, aber es kommt dennoch zu einer großangelegten Vernichtung.
Ferner sind die Tötung aller Erstgeborenen und der Tiere im Rahmen der Plagen und die Tötungen von 3000 Männern wegen der Anbetung des Goldenen Kalbes durch Moses Befehl, den er auf Gott zurückführt, Zeichen dieses eifersüchtigen Gottes, der auf die Exklusivität des Bündnisses pocht.
Gott als ethische Instanz und als Richter
An wichtigen Stellen im AT wird Gott als Gesetzgeber dargestellt (Ex, Dtn). Das bedeutet: die soziale und religiöse Ordnung wird mit der Autorität Gottes begründet. Und mehrfach wird erzählt, dass das göttliche Gesetz die Fremden und Benachteiligten schützt. (Dekalog, Sozialgesetze (Dtn 24), die Sozialkritik der Propheten).
Jesu Verkündigung eines gnädigen Gottes: Unser Vater
Von den Gottesbildern seiner Zeit verwendet Jesus auch die Gottesanrede Abba. - Abba ist ein Wort der Kindersprache, ähnlich wie unser Wort „Papa". Damit unterstreicht Jesus, dass Gott für ihn vor allem wie ein liebender und fürsorglicher Vater erscheint. Wenn Jesus seinen Gott Abba nennt, so ist das auch eine Aussage über sich selbst: Er sieht sich in der Rolle dessen, der die liebende Zuwendung Gottes verkörpert; damit unterstreicht das Wort Abba das grundlegende Vertrauen zu Gott, aus dem Jesus lebt.
Auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn und in anderen Gleichnissen (Barmherziger Samariter, Arbeiter im Weinberg) zeigt sich Gott als fürsorglich und voller Erbarmen. Seine neue Gerechtigkeit zielt auf die Schwachen ab, die vor Gott eigentlich im Sinne der Werkgerechtigkeit nicht viel vorzuweisen haben.
Gottesbilder der Psalmen
In vielen Gebeten werden Bilder benutzt, um Eigenschaften Gottes zu verdeutlichen.
Dabei lässt sich eine vielschichtige Perspektive auf Gott verdeutlichen:
Ps 23 (Hirte): "Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. 2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. 3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. 4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich."
Ps 91 (Zuflucht und Burg): "Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue."
Ps 47 (gerechter König): "Denn Gott ist König über die ganze Erde; lobsinget ihm mit Psalmen!"
Ps 139 (Allgegenwertiger Begleiter und Allwissender): "HERR, du erforschest mich und kennest mich. 2Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es; du verstehst meine Gedanken von ferne. 3Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege."
Auch andere Bilder wie Adle, Arzt, Retter, Fels, Feuer, Freund, Friedensschaffer, Licht Löwe sind zu finden.
Aber Gott es gibt auch Psalmen die klagen, in denen die Ferne Gottes oder sein Zorn deutlich werdn:
Ps 94,1: Gott als Rächer
Ps 88,7: Gott als zorniger Erniedriger
Hier eine Übung, in der zwischen den im Unterricht behandelten zentralen Bibelstellen zu biblischen Gottesbildern unterschieden wird.
Gottes-bilder der Bibel
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Das Bilderverbot im Dekalog und Auslegung im Islam und Judentum. (Anklicken)
Die Bibel spricht, wie wir gelernt haben, selbst gern in Bildern über Gott. Und doch wird im Dekalog (Zehn Gebote) ein Verbot von Bildern für Gott ausgesprochen. In Ex 20 heißt es: "1 Und Gott redete alle diese Worte: 2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. 3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. 4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: 5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott." Wie passt das zusammen?
Bis ins dritte Jahrhundert hinein wurde auch von Christ*innen das Bilderverbot weitgehend beachtet. Doch von Anfang an gab es in christlichen Gemeinden Bilder von Jesus Christus, die ihn z.B. als guten Hirten oder als Heiland zeigten. Manche Christ*innen begannen in der Folge auch, Gott bildliche darzustellen, worüber es in der christlichen Kirche zum Streit kam. 787 wurde auf dem Konzil von Nikala entschieden, dass Gottesbilder erlaubt sind, wenn sie nicht angebetet werden und wenn sie der Andacht dienen. Demzufolge gibt es im Christentum kein grundsätzliches Bilderverbot. Genaueres zum christlichen Umgang mit Gottesbildern erfährst Du in Step 02. Interessant ist auch, dass im Vergleich zu Judentum (Hebräisch) und Islam (Arabisch) die Gebetssprache und die Bezeichnung Gottes keinen Regelungen unterliegen.
In drastischerer Form lässt sich das Bilderverbot im Islam nachvollziehen. Denn beim Vergleich der Offenbarungserzählungen Mohameds wird deutlich, dass die Distanz zwischen Gott und dem muslimischen Propheten noch deutlicher dargestellt wird als zwischen Mose und Jahwe. Mit dem Bilderverbot gehen Muslime sehr unterschiedlich um. Viele lehnen nur Abbildungen von Allah, den Propheten und Engeln ab. Andere gehen noch weiter. Sie zeigen auf Bildern auch keine Menschen und andere Lebewesen. Das war aber nicht immer so. Früher einmal haben auch Muslime Bilder und Statuen von Engeln und Propheten angefertigt.
Auch im Judentum werden Namens- und Bilderverbot strenger ausgelegt. Daher finden sich auch in Synagogen in der Regel keine bildlichen Darstellungen Gottes. Viele glauben, dass das Bilderverbot auch etwas mit der Zeit vor Abraham zu tun hat. Damals hatten die Menschen von dem einen Gott der Juden noch nichts gehört. Viele von ihnen verehrten viele Götter. Von ihnen gab es unzählige Bilder und Statuen, die die Menschen anbeteten (vgl. Goldenes Kalb).
Christliche Perspektiven auf Gottesbilder. (Anklicken)
Auch im Christentum gibt es - äquivalent zum Judentum und dem Islam - die Erkenntnis, dass Gott nämlich nicht verstanden werden kann. Diesbezüglich wird das biblische Bilderverbot (Ex 20,2-4 ) im Christentum ausgelegt. Denn wie kennengelernt, ist die Bibel selbst voller Bilder, insbesondere für Gott. Der Mensch kann gar nicht anders, als in Bildern zu sprechen, Jesus nutzt bildhafte Gleichnisse, um den Menschen das Gottesreich zu verdeutlichen. Daher wird im Christentum auf eine strenge Auslegung des Bilderverbotes verzichtet.
Doch: in „keinem dieser Bild geht er ganz auf“ (Zenger). Der Kirchenlehrer Augustinus formulierte es so: „Wenn du begreifst, ist es nicht Gott.“ Oder der US-amerikanischer evangelischer Pastor und Autor Green sagte: „Ich würde mich weigern, an einen Gott zu glauben, den ich verstehen könnte.“
Im diesem Verständnis des Bilderverbotes bedeutet es, dass nicht nur die konkreten Götzen (s. Goldenes Kalb), sondern jede Degradierung Gottes in etwas menschlich Fassbares (s. Klempnergott oder Die Ärzte: „Gott im Regal“) problematisch erscheint. Bilder in der Gewissheit der Unvollkommenheit derselben als Hilfsmittel zum Reden über Gott zu nutzen, ist aber wohl unproblematisch.
Andreas Benk geht in seinem Ansatz der negativen Theologie aber sogar so weit, dass er jede Aussage über Gott ablehnt, All unsere Begriffe, Bilder und Vorstellungen seien nicht vokativ, sondern stets unangemessen für Gott. Die Folge daraus wäre aber wohl, dass wir gar nicht mehr über Gott sprechen könnten, oder bei jeder Äußerung auf den unzureichenden Charakter derselben hinweisen müssten. Hilfreich ist hier ein Leitspruch zum besseren Verständnis: "Gott ist immer anders als anders."
Schritt 1
Schritt 2
Gottesbilder und Bilderverbot?
Zusatzvideo als Vertiefungsimpuls zum Themenkomplex "Gottesbilder und Bilderverbot"
Zusatzmaterial
Übung 2
Übung 1
Exkurs: Biblische Leitplanken
Der Dekalog stellt bis heute für viele Christ*innen eine zentrale Leitlinie ihres Handelns dar. Daher wurde über die Auslegung des Bilderverbotes auch intensiv diskutiert. Es gibt noch weitere ganz zentrale Texte, die für Christ*innen oft zur Leitschnur ihres Handelns werden. Diese Übung verknüpft bereits mit 13.1.
Exkurs für P4-Prüflinge: Bild-interpretation
Nur P4-Prüflinge!
M3 „Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen?
Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen.“ (1. Buch der Könige 8,27)
Zu dem Bild von Horst Antes habe ich nun noch einen Bibelvers aus dem 1. Buch der Könige 8 hinzugestellt. Dem Gebet des Königs Salomo bei der Tempelweihe in Jerusalem ist dieses Bibelwort genommen. Salomo, der König Israels, hat seinem Gott ein wunderbares Haus gebaut. Aber kann Gott, wird Gott in diesem Haus auch Wohnung nehmen? Die Zuversicht, mit der der König dieses Gotteshaus geplant und aufgerichtet hat, kommt im Augenblick der Weihe dieses Tempels grundlegend ins Wanken. „Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen.“ Das Ausgestrecktsein des Menschen zwischen Erde und Himmel, das Horst Antes gemalt hat, seine Unentschiedenheit in den Übergangsräumen des Lebens, wiederholt sich in der Gottesfrage noch in einer bis ins Letzte zugespitzten Weise. Die Transzendenz Gottes übersteigt die Transzendenz des Menschen um viele Dimensionen. Wer der Mensch sei, darauf wird es noch eine ganze Reihe von Antworten geben. Aber wer ist Gott? Wo wohnt er, wo ist er, wie lässt er sich beschreiben? Wissen Sie eine andere Antwort als dieses ungewisse Schwanken, als diese unbestimmte Ortsbestimmung, die der alte und weise König Salomo in seinem Gebet an eben diesen Gott zu formulieren sucht? Gott ist im Himmel, sagen wir. Nicht in dem Blau des Himmels, das Horst Antes oder – noch mystischer – das ein Marc Chagall in seinen Bildern und Glasfenstern malt. Oder doch? Gott ist der ganz Andere, Gott ist das Jenseits unseres Lebens? Vielleicht haben wir die Transzendenz Gottes, die Jenseitigkeit Gottes so sehr herausgestrichen, dass der Zweifel groß geworden ist, ob Gott noch auf dieser Erde wohnt. In einem praktischen Atheismus leben wir doch wohl alle, und damit sind wir mit den grundsätzlichen Atheisten doch auch ein Stück verbunden. Oder rechnen Sie damit, dass eine Gotteserfahrung für Sie an der nächsten Ecke lauert? Aber dann geschehen Katastrophen wie in Erfurt oder am 11. September in New York, oder auch Einbrüche, Katastrophen in einem persönlichen Leben, und plötzlich schreien wir nach Gott. Finden keinen anderen Ausdruck unseres Entsetzens, unserer Trauer oder – in ganz anderen Situationen – keinen anderen Ausdruck unseres Glücks als im Gebet oder im Gesang. Der Gotteshunger des Menschen ist tief verborgen, offenbar aber er ist da. Es ist des Menschen größte Vollkommenheit, hat Blaise Pascal gesagt, Gottes zu bedürfen. Manchmal scheint dies auch sein größtes Elend zu sein. Der Mensch braucht Gott: Dieses Ausstrecken nach dem Himmel, nach der Wolke, ist das die Antwort, die wir in der Gottesfrage suchen? Aber dann schaue ich noch einmal wieder lange auf den „Wolkenfänger“ von Horst Antes, auf seine Präsenz, auf seine pralle Gegenständlichkeit, auf seine Fülle gelebter Existenz, und da kommt mir auf einmal die andere, die ergänzende Seite dieser Perspektive in den Sinn. Damit, wie Kant gesagt hat, der Mensch nicht zu einem Mittel, sondern zu einem Zweck wird, braucht er ein unendliches Gegenüber. Braucht ein Du, das gerade ihn sucht und meint. Martin Buber, der unvergessene jüdische Philosoph, hat dieses unübertroffen ausgedrückt. Buber sagt: „Dass du Gott brauchst, mehr als alles, weißt du alle Zeit in deinem Herzen. Aber nicht auch, dass Gott dich braucht? In der Fülle seiner Ewigkeit dich? Wie gäbe es den Menschen, wenn Gott ihn nicht brauchte, und wie gäbe es dich? Du brauchst Gott, um zu sein, und Gott braucht dich zu eben dem, was der Sinn deines Lebens ist.“ Sie und ich, heißt das doch, wir sind keine Zufallsprodukte, sozusagen im Galopp verloren. Die eine kurze Zeit vegetieren, mehr schlecht als recht, um irgendwann in den Abfalleimer der Geschichte geworfen zu werden. Nein, Sie und ich: Wir sind gewollt, gemeint, geliebt. Partner einer unendlichen Liebe sind wir, und Liebe ist immer Begegnung in Gegenseitigkeit. Die Fülle des Lebens und der Liebe in sich aufnehmen: Das macht das Leben nicht immer leicht, aber es macht es sinnenschwer. Christus, so haben wir es begriffen, ist die Botschaft, dass Gott den Menschen sucht und liebt und zur Gestaltung seiner so schön und so gut geschaffenen Erde braucht. Wenn der Mensch sich seiner göttlichen Bestimmung verweigert, wird diese Welt untergehen, das ahnen wir doch alle. Aber Pfingsten feiern wir. Pfingsten als Erinnerung – was sage ich: Erinnerung – nein, als Gewissheit, dass der Geist Gottes ausgegossen ist und uns Anteil gibt an der Freude und Kraft eines klaren, eines zielbestimmten Lebens.
Quelle: Hans Werner Dannowski; Gabriele Sand, Im Anfang das Bild. Predigten und Denkanstöße zu moderner Kunst. Gütersloh 2006, S. 82, 85-87 (gekürzt)
Aufgabe:
1. Stellen Sie dar, wie Hans Werner Dannowski das Bild von Horst Antes interpretiert.
2. Entfalten Sie Dannowkis Aussagen über Gott und den Menschen anhand ausgewählter biblischer Bezüge.
[freiwllig: 3. Eine Kirchengemeinde überlegt, das Gemälde von Horst Antes in ihrem Gottesdienstraum auszustellen. Beurteilen Sie dieses Projekt unter der Frage, ob das Bild den Gemeindemitgliedern neue Zugänge zum Glauben ermöglichen kann. Berücksichtigen Sie dabei sowohl Ihre eigene Sichtweise als auch Dannowskis Interpretation.]
Gott als Mensch?
Das IN JESUS verkündete, neue Gottesbild
Jesus rechnet mit einer baldigen Umgestaltung der Welt durch Gott. Deshalb verlieren Sorge um Besitz, Ansehen und Ordnung an Gewicht. Mit Jesus ist das Wirken Gottes, ist das Reich Gottes in neuer Weise angebrochen: Gottes Gericht und Vollendung der Welt zeigt sich jetzt schon als rettende Gnade, in der sich sein unfassbares Erbarmen verwirklicht. Am Ende der Zeiten wird Gott alle lebensfeindlichen Mächte, auch den Tod unterwerfen und das Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und des Lebens in Fülle schaffen. Religionsgeschichtlich betrachtet beteiligen sich Jesus und die Evangelien an einer geradezu revolutionären Veränderung des Gottesbildes: In der Tradition der Propheten machen sie die Ethik zum Angelpunkt des Glaubens an Gott. Tempelkult, Priesterschaft und religiöse Riten werden abgewertet; aufgewertet werden dagegen Mitleid und tätige Nächstenliebe (vgl. Gleichnis vom barmherzigen Samariter). Darin liegt für Jesus und die Evangelien der Maßstab für den Glauben an Gott.
Hans Schwarz: Die radikale Gottesoffenbarung in Jesus Christus
Historischer Jesus, kerygmatischer Christus
Trinitarisches Gottesverständnis und der interreligiöse Dialog
- Trinität? Wer kommt denn auf sowas? (Anklicken)
Trinität – Wer kommt denn auf sowas?
„Und", fragt der Professor den Theologiestudenten am Ende einer schlechten Prüfung, „können sie denn wenigstens die Dreifaltigkeit erklären?" - Da strahlt der Student und meint: „Na, wenigstens das kann ich! Also, die Dreifaltigkeit kann man so erklären..." - Worauf der Professor ihn unterbricht: „Das tut mir leid, aber Sie sind durchgefallen. Die Dreifaltigkeit kann niemand erklären."
Wieso wir Christen auf die für viele „absurde“ Idee der Dreifaltigkeit gekommen sind, liegt nicht an den Theologen, Priestern, Päpsten oder Schriftgelehrten, die ja die Verbreitung und Vermittlung des Glaubens als Ziel haben. Dabei ist eine so seltsame Lehre wie die von der Dreifaltigkeit Gottes nicht gerade förderlich - keiner, der den Glauben verbreiten will, würde sich so etwas ausdenken. Also: Wer, bitte, ist bloß darauf gekommen?
Tja, wir müssen uns eingestehen: Jesus ist schuld daran. Er hat von sich (oder ihm wurde von außen zugesprochen -> s. Bultmanns Differenzkriterium) als Gott gesprochen, und etwa durch die Zusage der Sündenvergebung göttliche Autorität beansprucht, sich damit an die Stelle des einen Jahwe-Gottes gestellt. Damit hat er provoziert, was letztlich gewiss auch ein Grund für seine Hinrichtung gewesen sein dürfte.
Aber Jesus war selbst ja auch ein Jude und tief verwurzelt in der jüdischen Tradition. Diese hat vieles in ihrer Geschichte durchgemacht - aber immer (!) daran festgehalten: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig!" (Dtn 6,4). Das galt auch für Jesus. Jesus hätte nun sagen können: „Hallo, meine jüdischen Mitbrüder, ich bin es - Euer Gott!" Dann wäre uns viel Denkarbeit erspart geblieben. Denn dann ist es eben Jahwe persönlich, der eine-einzige Gott, der sich zwischenzeitlich auf der Erde aufhielt. Damit wäre die Einzigkeit Gottes und der Anspruch Jesu auf seine eigene Göttlichkeit logisch zu vereinbaren. Aber Jesus hat das nicht getan. Es hat er von sich als Gott auf Erden gesprochen und gleichzeitig vom göttlichen Vater im Himmel, zu dem er sogar gebetet hat.
Für so ein theologisches Himmelfahrtskommando (denn das war es auf jeden Fall - zu jeder Zeit im Judentum!) musste Jesus nun wirklich einen triftigen Grund haben. Gläubige Christen werden in der Regel sagen, dieser Grund sei einfach: die Wahrheit.
Man könnte ein wenig entnervt nun weiterdenken: Ob wir von zwei Personen (Gottvater und Gottsohn) in einem Gott reden - oder von drei: Das logische Ärgernis bleibt das gleiche. Einer mehr oder weniger - was soll's. Deshalb ist der logische Schritt von der Anerkennung zweier Personen (Gottvater und Gottsohn) zur Trinität (Gott-Vater, -Sohn und Heiliger Geist) nicht mehr so groß.
Für die Christen war aber die Annahme, dass nicht nur Jesus, sondern auch der Heilige Geist eine eigenständige Person neben dem Vater ist (aber es dennoch nur einen Gott gibt), nicht eine nachträgliche Erweiterung. Sie findet sich etwa schon in Mt 28,19: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes."
Der allgemeine Fehler, der uns Christen allerdings sprachlich auch immer wieder unterläuft, ist, die Väterlichkeit als eine Eigenschaft unserer gesamten Gottheit anzunehmen. Wenn wir also von DER Gottheit der Christen reden, dann dürfen wir diese nicht allein mit dem Vater identifizieren, denn DER Gott der Christen beinhaltet eben die Person des Vater und des Sohnes und auch die des Heiligen Geistes. „Vater" zu sein, ist also nicht DIE Eigenschaft des christlichen Gottes, sondern eine Person - neben den anderen, Sohn und Geist.
Aber nicht nur, weil die Juden den Christen den Ein-Gott-Glauben mit in die Wiege gelegt haben, glauben die Christen an das seltsame Konstrukt „Ein Gott - Drei Personen". Sondern auch, weil Jesus selbst Wert darauf gelegt hat: „Ich und der Vater sind eins!" (Joh 10, 30).
Viele andere Religionen (Judentum, Islam) und Sekten (Zeugen Jehovas) werfen dem Christentum daher eine Tritheismus vor. Es gibt dazu eine kleine Anekdote: Ein jüdischer Rabbi meinte, die Christen hätten mit dem Glauben an die Dreifaltigkeit wohl das Rechnen verlernt. „Dabei ist es doch ganz einfach: Eins plus eins plus eins macht Drei!" - „Ja," sagt darauf ein katholischer Priester, „aber sie vertun sich in der Rechenart: Eins mal eins mal eins ist eins!" Oftmals wird zur Veranschaulichung auch das Element Wasser in seinen Aggregatszuständen genutzt: als festes Eis, in flüssiger Form und als Wasserdampf. Es ist immer Wasser.
In der absoluten Offenbarung Gottes in Jesus Christus kommt es zu Konflikten im interreligiösen Dialog.
Jesus, der selbst mit dem Gott Israels in Kommunikation steht, ist im christlichen Verständnis selbst zwar ganz Mensch, aber eben auch ganz Gott und so in direkter Kommunikation mit den Menschen. Eine so drastische und radikale Offenbarung Gottes ist Judentum und Islam überaus fremd. Die Menschwerdung Gottes in Jesus als Messias ist für Juden und Muslime nicht vorstellbar. Sie verstehen unter Trinität daher als den Glauben an drei Götter (Polytheismus) und urteilen dies daher als Sünde ab. Gleichsam können Christen in der Regel nicht von Gott sprechen, ohne diese Offenbarung Gottes in Jesus stets mitzudenken.
Dies ist ein Grund, warum ein interreligiöses Gebet bis heute schwierig erscheint. (siehe dazu vertiefend auch unten: Glauben wir alle an denselben Gott? Auch hier sind weiterführende Erklärungen zur Trinität zu finden.)
In der genannten Kommunikation Jesu mit Gott kann aber auch – neben der ersten Verwirrung – eine besondere Qualität der Dreifaltigkeit gesehen werden. Denn im Gegensatz zu anderen monotheistischen Religionen oder Sondergruppen ist der christliche Gott ein Gott voller Leben. Jeder andere, einpersonale Gott ist ein seiner Ewigkeit irgendwie auch kalt und starr: So ein monolithischer Gott existiert so vor sich hin. Der christliche Gott aber ist in sich Geschehen und Leben: Der Vater schickt den Sohn, der Sohn verdankt sich dem Vater, beide hauchen den Geist, der Vater und Sohn in Liebe verbindet. Das ist Leben und Liebe, nicht nur bloße Existenz. Um die Rede vom dreieinigen Gott zu verstehen, kann also von dem Satz ausgegangen werden: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Liebe braucht ein Gegenüber, aber Gott braucht nicht die Schöpfung, um ein liebender Gott zu werden. Er ist liebend in sich, aber ohne sich der Selbstliebe hinzugeben, sondern aufgrund eines immerwährenden liebenden Kommunikationsprozess in Gott selbst, was mit den Begriffen Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Geist zum Ausdruck gebracht wird.
Kritiker meinen, die Trinität (wie sie später genannt wurde) sei erst eine spätere Erfindung altkirchlicher Theologen. Die Rede vom dreieinigen Gott ist aber durchaus bereits im Neuen Testament erkennbar. Richtig ist gleichsam, dass dies kirchenhistorisch erst später theologisch konkretisiert wurde. Was in den Konzilien der Antike versucht wurde und letztlich auch ins christliche Glaubensbekenntnis Eingang gefunden hat, waren Überlegungen, wie denn die Einheit und Vielheit, die im NT von Gott offenbart wird, theologisch zusammengedacht werden kann.
Trotz der genannten Verwirrung: Es gibt kaum Christen, die nicht an die Dreifaltigkeit glauben. Der christliche Glaube beruht auf Offenbarung, durch die Gott seinen Willen den Menschen zu erkennen gibt. Damit die Menschen verstehen, berücksichtigt Gott das menschliche Fassungsvermögen und tut dies, indem er zu den Menschen spricht, etwa durch die Propheten im AT und zuletzt durch Christus als die Menschwerdung Gottes. Und mit dem Heiligen Geist, der Pfingsten ausgeschüttet wurde und bis heute in Gläubigen wirkt. Damit steht auch die Dreifaltigkeit in der Tradition der Offenbarungsgeschichte des AT. Einfacher ist sie dadurch natürlich nicht. Aber trösten wir uns: Schon Paulus versuchte dies, der Gemeinde in Korinth näher zu bringen (2 Kor 4,6): „Denn der Gott, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll Licht aufstrahlen (= Schöpfung), er ist es, der es hat aufstrahlen lassen in unseren Herzen (Heiliger Geist), so dass die Erkenntnis aufleuchtet, die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi (Sohn).“
In dem sehr bekannten Gottessymbol, dem Auge der Vorsehung (auch „allsehendes Auge“ oder „Gottesauge“ genannt spielt die Trinität eine Rolle. Es wird gewöhnlich als das Auge Gottes interpretiert wird, das alles sieht. Dargestellt wird es als ein von einem Strahlenkranz umgebenes Auge und ist meist von einem Dreieck umschlossen, das auf die Trinität verweist. Es gibt aber auch andere künstlerische Umsetzungen der Trinität, die sehr interessant sind. Du findest sie im Reader.
Für P5-Prüflinge ausgenommen.
- Trinitarische Gottesrede und Jesusperspektiven im interreligiösen Diskurs (Anklicken).
Glauben wir alle an denselben Gott?
Dies ist gewiss eine der schwierigsten religiösen Fragen unserer Zeit, die hoch umstritten ist. Natürlich gibt es große Schnittmengen zwischen den abrahamitischen Religionen, die ja auch eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Ursprünge haben. Dennoch hilft es nicht, hier einfache Gleichmacherei zu betreiben. Und so sind nicht wenige Theologen bis heute der Meinung, dass ein gemeinsames Gebet von Protestanten und Katholiken oder anderen Christen unproblematisch sei, ein interreligiöses Gebet aber abzulehnen sei. Zünglein an der Waage ist das Verständnis von Jesus als dem Sohn Gottes.
Wenn der bekannte ev. Theologe Huber sagt, dass der Gottesglaube der Christen und Muslime verschieden sei, dann konstatiert er damit zunächst das ganz offensichtliche Faktum, dass sich die Christen nicht zu Allah, wie er sich Mohammed offenbart hat und wie es im Koran bezeugt wird, bekennen können, und dass sich das christliche Gottesverständnis von dem der Muslime unterscheidet. Die Annahme, dass der Gott, zu dem sich Christen bekennen, der gleiche Gott ist, zu dem sich die Muslime bekennen, sei insgesamt unbegründet.
Der Grundgedanke lässt sich wohl folgendermaßen zusammenfassen: Gott hat sich in Christus ein-für-allemal, normativ und definitiv für alle Christen identifiziert. Er hat sich an das Christus-Ereignis und an den Namen Jesu Christi gebunden. Ein Christ kann nicht zu Gott beten, ohne dieses Bekenntnis mitzudenken. Deshalb kann man Gottes Wesen – das Wesen unbedingter Gnade – auch nur von Christus her erkennen. Deshalb kann man sich als Christ auch nur so zu Gott bekennen, wie er sich in Jesus Christus erschlossen hat. Es gibt Gott nicht ohne diesen zentralen Gottesmittler. Der Gottesvermittlung durch und in Jesu Christus ist aber eine andere als die Gottesvermittlung durch den Koran. Und sie ist in der Menschwerdung Gottes auch deutlich radikaler als jede Gottesoffenbarung im Koran (oder auch im AT). Christen glauben an den in Christus vermittelten Gott. Dieses Gottesbild zeigt uns einen Gott, dem das Leiden nicht fern ist, der selbst leidet und die Erfahrung des Todes macht – und der gerade damit Erlösung bewirkt.
Muslime werden erwidern, dass dies nicht das Gottesbild des Islam ist. Die Vorstellung eines mitleidenden oder sogar selbst leidenden Gottes sei dem Islam zutiefst fremd und sogar anstößig für Muslime. Niemals würde der barmherzige Gott seinen Gesandten in dieser Weise umkommen lassen. Bei allen Gemeinsamkeiten, die man zwischen dem „Gott des Koran“ und dem „Gott Jesu Christi“ ausmachen mag – die Gottesvorstellungen sind also grundlegend verschieden.
Wenn wir das jüdische Gottesverständnis mit in den Blick nehmen, wird es noch einmal schwieriger, dem Urteil Hubers zu folgen. Denn Jesus ist mit dem Gott der Tora im Austausch, weshalb eine entsprechende Nähe zu konstatieren ist. Auch der Gott, der sich auf der Traditionslinie der jüdischen heiligen Schriften, dem Tanach, dem Talmud und den Midraschim erschlossen hat, hat sich aber laut jüdischem Verständnis nicht in Jesus Christus identifiziert. Nimmt man das Selbstverständnis des Judentums ernst, dann müsste man konsequenterweise auch hier sagen: Es gibt keine Gründe für die Annahme, dass die Juden an denselben Gott glauben. Man könnte diesen Gedanken provozierend zuspitzen und fragen, ob wir denn dann an den gleichen Gott glauben, an den Jesus glaubte. Je stärker man betont, dass Jesus nun einmal kein Christ, sondern Jude war, umso mehr drängt sich diese Frage auf. Die Kirche hat sich in dieser Auseinandersetzung für eine eindeutige Antwort entschieden: Es ist nicht nur der gleiche, sondern derselbe Gott. So sehr es zum christlichen Gottesverständnis gehört, dass Gott sich in Jesus Christus als Gott der bedingungslosen Gnade geoffenbart hat, so wenig kann man doch sagen, dass der „vorchristliche“ Gott Israels, der sich am Sinai geoffenbart hat, und der „nachchristliche“ Gott, zu dem sich das nachbiblische Judentum bekennt und dessen Charakterzüge sich doch auch unterscheiden vom „christlichen“ Gott, ein anderer Gott ist als jener, den Jesus Christus seinen „Vater“ nannte. Und doch zieht die Menschwerdung Gottes in Jesus eine Trennlinie zwischen dem jüdischen und christlichen Gottesverständnis muss zwischen der Gottesverkündigung des Christentums und des Judentums deutlich unterschieden werden.
Exkurs: Jesus im Judentum
Das Judentum deutet Jesus von Nazareth nicht als Sohn Gottes. Es sieht in ihm auch nicht den Messias, da er die Verheißungen der biblischen Propheten, die Hoffnungen, die mit dem Kommen des Messias verknüpft waren, nicht erfüllte. Der Messias hätte das Volk von der römischen Unterdrückung befreien und das frühere Königreich wiederherstellen müssen. Für Juden war es ein Skandal, dass Jesus stellvertretend die Sünden vergab und die Gebote der Tora neu interpretierte. Für Juden unvorstellbar war es auch, dass Gott Mensch werden könne; auch die Vorstellung einer Dreifaltigkeit ist für sie inakzeptabel.
In der rabbinischen Tradition grenzte man sich deshalb stark vom Christentum ab. Zur klaren Trennung kam es, als die urchristliche Mission sich an Nichtjuden richtete. Durch die Aufnahme von Christen ohne jüdischen Hintergrund (Heidenchristen) änderten sich langfristig die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der neuen christlichen Bewegung. Der etwa ab 200 n.Chr. entstandene babylonische Talmud nannte Jesus daraufhin meist nur „jenen Mann“, vermied also seinen Namen, beschrieb ihn als falschen Propheten und Verführer Israels, der Zauberei trieb, über die Weisen spottete und nur fünf Jünger hatte. Er sei am Vorabend des Paschafestes gehängt worden, nachdem sich trotz vierzigtägiger Suche kein Entlastungszeuge für ihn gefunden habe (Sanhedrin 43a; vgl. Mk 14,53–64). Jesu Herkunft erklärt der Talmud mit einem Fehltritt Marias: Sie habe sich mit einem römischen Legionär eingelassen und das dabei entstandene Kind dem „Heiligen Geist“ zugeschrieben. Für die talmudischen Rabbiner war sie eine „Hure“. Jesus sei durch seinen römischen Vater „nicht nur ein Bastard, sondern der Sohn eines Nichtjuden“. Die im NT verkündete Abstammung von König David könne er nicht beanspruchen. Diese Idee war mitsamt dem Messias und Sohn-Gottes-Anspruch Jesu bzw. des NT für die Talmudautoren reiner Betrug.
Im 20. Jahrhundert wird Jesus von einigen jüdischen Religionswissenschaftern als jüdischer Lehrer der Tora gesehen, der den Völkern den Glauben an Jahwe, den Gott Israels, vermittelt habe (vgl. David Flusser, Pinchas Lapide, Abraham Heschel). Damit liegt gerade in der Betrachtung des historischen Jesus und seiner Lehre eine Möglichkeit zum interreligiösen Dialog mit Judentum (und Islam, s.u.). Eine Diskussion über Jesus als Messias kann hingegen nur zu Konflikten führen.
Exkurs: Jesus im Islam
Jesus wird im Koran in 15 von 144 Suren erwähnt. Am meisten, wird Jesus im Koran „der Sohn Marias“ genannt. Mit dieser Bezeichnung soll die irdische Herkunft von der Mutter Maria betont werden, seine Gottheit wird abgelehnt. Am zweithäufigsten, nämlich elfmal wird Jesus „Christus Jesus“ (oder Messias, d.h. „Gesalbter“) genannt, ein Titel, der im Christentum als Eigenname gebraucht wird und rezitiert wird, ohne die theologische Bedeutung des Titels als Sohn Gottes anzunehmen. Drittens wird Jesus als Prophet bezeichnet und in die Reihe der koranischen Propheten gestellt. Propheten sind von Gott erwählt und gesandt, um seine Botschaft in der Welt zu verkündigen. Ihnen hat sich Gott geoffenbart, und sie verkünden (monotheistische Perspektive) den einen wahren Gott. Sie sind beauftragt, Ungläubige, Abtrünnige oder Abergläubige vom Götzendienst zu befreien und sie zur Umkehr zum lebendigen, einzigen Gott aufzurufen, der sie auf dem rechten Weg leitet und begleitet. Weiter wird Jesus durchaus durch das Evangelium ausgezeichnet, das als sein Buch gilt, wie die Tora das Buch des Mose und der Psalter das Buch Davids ist. Dem Evangelium wird „Licht“ und „Führung“ zugesprochen. Damit erkennt der Koran die Tora und Evangelium als Offenbarungsschriften sehr wohl an. Die endgültige Offenbarung - der Koran - wird dem Propheten Mohammed, dem Inbegriff der Propheten (Sure 33:40) gegeben. Jesus als Empfänger des Evangeliums wird so im koranischen Verständnis zu einem Vorläufer des unüberbietbaren Propheten Mohammed.
Der Koran lehnt aber ausdrücklich und vehement die Vorstellung der Gottessohnschaft bzw. der Göttlichkeit Jesu und damit auch eine Zwei-Naturen-Lehre (ganz Gott, ganz Mensch), wie auch ein Bekenntnis zur Dreifaltigkeit ab. Jesus hat zwar - wie Adam keinen menschlichen Vater (Er ist durch Gottes Wort und Geist in Maria geschaffen worden), doch in islamischer Sicht ist er aber ausdrücklich nicht Gott: „So glaubt an Gott und seine Gesandten! Sagt nicht „drei“! Hört auf! Das ist besser für euch. Gott ist ein einziger Gott. Gepriesen sei er! Dass er ein Kind hätte! Ihm gehört, was in den Himmeln und auf der Erde ist.“ (Sure 4:171)
Bei der Ablehnung des Kreuzestodes Jesu beruft sich die koranische Theologie auf Sure 4 (Verse 156-159). „Diejenigen sind die wahren Ungläubigen, weil sie sagten: ‚Wir haben Christus Jesus, den Sohn der Maria und Gesandten Allahs, getötet.‘ Aber sie haben ihn (in Wirklichkeit) nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt. Nein, Allah hat ihn zu sich (in den Himmel) erhoben.“ Aus muslimischer Sicht ist jedenfalls davon auszugehen, dass Gott die Ermordung seines Propheten Jesus keinesfalls zugelassen habe. Auferstehung oder Erhebung ohne Kreuzestod heißt aber im Sinne der klassischen Satisfaktionslehre (s.u.) auch, dass der Tod Jesu ohne erlösende Bedeutung bleibt und damit ohne Heil und Sündenvergebung.
- Möglichkeiten und Grenzen interreligiöser Verständigung (Anklicken).
Trinität als spezifisch christliche Rede von Gott und Aufruf zum interreligiösen Dialog
Man kann also festhalten, dass gerade in der Vorstellung der Dreieinigkeit Gottes und in der zentralen Bedeutung Jesu in der christlichen Gottesvorstellung der Kernunterschied zum Judentum und Islam liegt. Nach Mt 28,19 sollen Christen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen. Trinität – oder Dreifaltigkeit – heißt, dass Gott in drei Seinsweisen existiert: als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Diskussion um die Trinität begann im vierten Jahrhundert nach Christus. Sie ist sehr philosophisch geprägt, da die Lehre von der Trinität in der Bibel nicht explizit vorkommt oder entfaltet wird, sich aber durchaus mit ihr begründen lässt. Es geht also um Lehrmeinungen darüber, was die Bibelstellen über Gott, Jesus und den Heiligen Geist für den christlichen Glauben bedeuten. Die griechische Formel, auf die sich die Theologen einigten, um Gott zu beschreiben lautete „mia ousia – treis hypostaseis“ (ein Wesen – drei Hypostasen). Der Begriff „Hypostasen“ bedeutet so etwas wie „Seinsweisen“. Als Bild kann das Element „Wasser“ zur Veranschaulichung genutzt werden: es existiert als Eis, in flüssiger Form und als Dampf, aber immer ist es Wasser (Aggregatzustände).
So versucht man, das scheinbar Unmögliche auszudrücken, nämlich dass Gott gleichzeitig drei und einer ist. Um das zu verstehen, hilft es, sich vor Augen zu führen, wie Menschen Gott in der Geschichte erfahren haben: als Schöpfer, der seine Welt und die Menschen liebt wie ein Vater seine Kinder. Als ein Gott, der in Jesus Christus, seinem Sohn, selbst Mensch geworden ist und das menschliche Leben (und Leiden) geteilt hat. Und schließlich als Gott, der im Heiligen Geist bei den Menschen immer noch gegenwärtig und lebendig ist.
Diese Vorstellung ist dem Islam und dem Judentum überaus fremd. In Sure 4, 171 nimmt der Koran diesbezüglich sogar explizit Stellung: „Siehe Christus Jesus, Marias Sohn, ist der Gesandte Gottes und sein Wort, das er an Maria richtete, und ist Geist von ihm. So glaubt an Gott und seine Gesandten, und sagt nicht: ‚Drei!‘ Hört auf damit, es wäre für euch besser.“
Trotz dieses elementaren Unterschiedes muss es natürlich trotzdem das Ziel sein, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Religionen zu forcieren, anstatt die Unterschiede zu betonen. Und gerade moderne christliche Deutungsansätze zum Kreuz (s. Kreuzesdeutungen) oder Auseinandersetzungen mit dem historischen Jesus (s.o.) können hier gewiss neue Chancen des interreligiösen Dialoges aufzeigen.
Darüber hinaus können auch in der religiösen Praxis viele Gemeinsamkeiten gefunden werden, was am Vergleich der fünf Säulen des Islam mit Jesu Hinweisen zur frommen Praxis (Mt 6) verdeutlicht werden kann: Jesus fordert in der Bergpredigt dazu auf, bereitwillig Almosen zu geben, ohne damit zu prahlen (Mt 6, 2-4). In diesem Aspekt ließe sich gewiss mit Muslimen kooperieren, denn das Zakat stellt im Islam als dritte Säule eine finanzielle die jeder religionsmündige Muslim, Mann oder Frau, der oder die über ein bestimmtes Vermögen verfügt, entrichten muss. Diese Einkünfte kommen dann bestimmten bedürftigen Gruppen, allerdings in der Regel immer Muslimen, zugute. Die dritte Säule umfasst aber auch Sadaqa. Die Sadaqa meint im Unterschied zum Zakat ein nicht-verpflichtendes Geben. Sie umfasst nicht nur Spenden wie Geld, Kleidung, Spielzeug oder Lebensmittel an Bedürftige, sondern geht weit darüber hinaus. Zur ihr zählen beispielsweise ebenso ein Lächeln, ein wahres Wort oder die Mediation in einem Streit. Dies ließe sich gewiss mit der Aufforderung zur praktizierten Nächstenliebe zu einer gewinnbringenden Kooperation forcieren. Jesu Forderung nach nicht-öffentlichem Fasten (Mt 6, 16-18) passt durchaus zu den Prinzipien des Saum (Fasten), der vierten Säule des Islam, der vor allem im Fastenmonat Ramadan eine Rolle spielt. Allerdings richtet sich dieser nach dem Mondkalender, im Christentum ist die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern. Darüber hinaus sind die Vorgaben zum Fasten im Islam deutlich strenger und konkreter als dies im Christentum der Fall ist.
Gleiches gilt auch für das Gebet, das im Islam die zweite Säule darstellt. Grundsätzlich ist es sowohl bei Christen als auch bei Muslimen vorgesehen, dass die Gläubigen zu Gott sprechen. Allerdings widerspricht etwa das öffentliche Freitagsgebet in der Moschee Jesu Forderung nach privatem Gespräch zu Gott (Mt 6,5). Und auch die Tatsache, dass Muslime rituelle Waschungen vor den Gebeten vornehmen, vorgegebene Gebete auf Arabisch sprechen, auf einem Gebetsteppich mit vorgegebenen Gebetshaltungen in Richtung Mekka beten, lässt sich mit der christlichen Gebetspraxis nur schwer in Einklang bringen. Wenn man berücksichtigt, dass fast jedes muslimische Gebet mit der Schahada, dem muslimischen Glaubensbekenntnis beginnt, das auch die erste Säule des Islam darstellt, erkennt man direkt, warum ein gemeinsames Gebet schwierig wird: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet." Auch im jüdischen Glaubensbekenntnis, dem „Schma Israel“ wird die Einzigkeit Gottes betont: „Höre Jisrael, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig.“ Im christlichen Glaubensbekenntnis spielt Jesus und damit die Trinität dann schon wieder eine zentrale Rolle. Auf dieser Grundlage erscheint ein gemeinsames Gebet unmöglich.
Die fünfte Säule des Islam, die Hadsch (Pilgerfahrt nach Mekka und Medina) ist zentral mit dem Wirken und der Verkündigung des Propheten Mohammed verknüpft. Dies können Christen ebenfalls nicht bekunden. Insgesamt kann anhand dieses Vergleiches verdeutlicht werden, dass das Ziel verfolgt werden sollte, aufgrund wichtiger Gemeinsamkeiten den Austausch zu fördern, ohne dabei zentrale und wichtige Unterschiede im Glauben verschweigen oder leugnen zu müssen.
Weitere Möglichkeiten und Beispiele einer gelungenen Kooperation (gelungene Umsetzungsideen des interreligiösen Dialogs):
Das Weltparlament der Religionen ist ein Zusammentreffen von Vertretern aller großen Religionen mit dem Ziel eines friedlichen Dialogs, das in unterschiedlichen Abständen an verschiedenen Orten zusammenkommt. Fand das erste Mal 1893 in Chicago statt.
Die Idee des Weltethos geht zurück auf den katholischen Theologen Hans Küng. Bei seinen empirischen Forschungen rund um den Globus stellte er fest, dass allen Weltreligionen und philosophisch-humanistischen Ansätzen bereits grundlegende Werte- und Moralvorstellungen gemeinsam sind. Die Goldene Regel beispielsweise, findet sich in nahezu allen religiösen Traditionen wieder. Für unsere globale Gesellschaft muss ein solcher gemeinsamer Wertekanon also nicht erst entwickelt werden, denn er existiert bereits: Wir nennen ihn „Weltethos“. Jedoch muss dieser Wertekanon immer wieder neu bewusst gemacht, gelebt und weitergegeben werden. Darum bemüht sich die Stiftung Weltethos.
Über 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit setzen sich ein für die Verständigung zwischen Christen und Juden, den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus sowie für ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen.
Im Sinne des religiösen Pluralismus gibt es immer wieder Christen oder christliche Organisationen, die sich aktiv gegen religiöse Diskriminierung anderer Religionen, gegen jede Form religiöser Hetze und gegen religiöse Vorurteile (z.B. im „Kopftuchstreit“) einsetzen. Es gibt auch Christen, die sich für religiöse Gleichbehandlung einbringen und etwa als Fürsprecher für den islamischen Religionsunterricht und den Moscheebau auftreten. Auch die Initiierung von multireligiösen Feiern ist möglich. Wichtig ist hierbei darauf zu achten, dass religiöse Gefühle nicht verletzt werden und etwa Gebete von Muslimen und Christen nebeneinander stehen.
- Das besondere Verhältnis des Christentums zum Judentum (Anklicken)
Zum Verhältnis von Judentum und Christentum heute
Im Jahr 2016 beschäftigte sich die EKD mit einer Erklärung mit dem Thema „‚… der Treue hält ewiglich.‘ (Psalm 146,6) - Eine Erklärung zu Christen und Juden als Zeugen der Treue Gottes“ zum Verhältnis von evangelischen Christen zum Judentum geäußert.
Wie in Jahrgang 11 bereits thematisiert, hatte Luther ein durchaus zwiespältiges, in Teilen auch problematisches Verhältnis zu den Juden (s. Reader Jg. 11). Die EKD hat sich in der Erklärung von Luthers Schmähungen distanziert und erklärt, dass Luthers „Sicht auf das Judentum nach unserem heute erreichten Verständnis mit der biblisch bezeugten Treue Gottes zu seinem Volk unvereinbar ist“.
Bereits 1950 erklärte die Synode der EKD in Berlin-Weißensee, „dass Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk Israel auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist." Es wird deutlich gemacht: „Gott steht in Treue zu seinem Volk. Wenn wir uns als Christen an den Neuen Bund halten, den Gott in Jesus Christus geschlossen hat, halten wir zugleich fest, dass der Bund Gottes mit seinem Volk Israel uneingeschränkt weiter gilt. Das nach 1945 gewachsene Bekenntnis zur Schuldgeschichte gegenüber den Juden und zur christlichen Mitverantwortung an der Schoah hat zu einem Prozess des Umdenkens geführt, der auch Konsequenzen im Blick auf die Möglichkeit eines christlichen Zeugnisses gegenüber Juden hat. […] Christen sind durch den Juden Jesus von Nazareth mit dem Volk Israel bleibend verbunden. Das Verhältnis zu Israel gehört für Christen zur eigenen Glaubensgeschichte und Identität. Sie bekennen sich ‚zu Jesus Christus, dem Juden, der als Messias Israels der Retter der Welt ist‘" (EKIR, Synodalbeschluss von 1980).
Lange Zeit war es nicht die Meinung der Kirchen, dass Christinnen und Christen, Jüdinnen und Juden verbunden seien im Glauben. In einigen Kirchen ist es bis heute nicht so. Die Geschichte von Christen und Juden ist von Verachtung und Feindschaft geprägt. Sie begann mit dem Vorwurf der ersten Christen an die Juden, Jesus Christus „ermordet“ zu haben (Richtigstellung s.u.: Wer war schuld am Tod Jesu?). Sie fand einen schrecklichen Höhepunkt im Massenmord an den Juden im „Dritten Reich“, der durch christlich geprägten Antisemitismus gestützt und von deutschen Christinnen und Christen sehenden Auges zugelassen und mitvollzogen wurde. Das wird immer Teil der Schuld bleiben, die sich Christinnen und Christen in Deutschland aufgeladen haben. Die EKD tritt dort entschieden entgegen, wo in Verkündigung und Unterricht, Seelsorge und Diakonie das Judentum verzeichnend oder verzerrt dargestellt wird, sei es bewusst oder unbewusst. Gleichsam wird der Widerspruch und Widerstand gegen alte und neue Formen von Judenfeindschaft und Antisemitismus zum Ausdruck gebracht. Die EKD blickt dankbar auf vielfältige Formen der Begegnung von Christen und Juden und durch solche Begegnungen eröffnete Lernwege. Sie helfen demnach, die religiöse Eigenständigkeit des Judentums zu achten und den eigenen Glauben besser zu verstehen. Die EKD bekräftigt den Wunsch, diese Begegnungen gleichberechtigt fortzuführen und zu intensivieren.
Exkurs: Sollen Juden missioniert werden?
Diese Frage wird in christlichen Kreisen immer wieder diskutiert. Und tatsächlich sind immer wieder missionarische Vorstöße freikirchlicher und evangelikaler Gruppierungen unter Juden aus Osteuropa zu beobachten, die kaum in Deutschland Fuß gefasst haben. Dieses Vorgehen wird sowohl von jüdischer Seite sehr kritisch gesehen. Auch die evangelischen Landeskirchen haben die aufgeflammte Debatte im Blick. Die Leitung der rheinischen Kirche sah den Casus als so gravierend an, dass sie einen alten Synodenbeschluss über die Ablehnung der Judenmission „ohne Wenn und Aber“ in 2009 neu bekräftigte: „Wir glauben die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes als Gottes Volk und erkennen, dass die Kirche durch Jesus Christus in den Bund Gottes mit seinem Volk hinein genommen ist. Wir glauben, dass Juden und Christen je in ihrer Berufung Zeugen Gottes vor der Welt und voreinander sind; darum sind wir überzeugt, dass die Kirche ihr Zeugnis dem jüdischen Volk gegenüber nicht wie ihre Mission an die Völkerwelt wahrnehmen kann.“ Es gebe keine biblische Legitimation für eine heidenchristliche Judenmission mit dem Ziel der Bekehrung der Juden zu Jesus Christus und zur Taufe; der „Missionsbefehl“ (Matthäus 28, 19) rechtfertige keine Mission von Nichtjuden an Juden, sondern er fordere die Apostel auf, sich (als Juden, die sie sind) den nichtjüdischen Völkern missionierend zuzuwenden, um sie zu taufen und die Gebote Jesu zu lehren. Aus biblisch-theologischen Gründen ist also eine Absage an die Judenmission gefordert. Und diese Absage kann auch mit dem Hinweis auf die Shoa begründet werden. Der Rabbiner Robert Raphael Geis wurde 1964 in einem Brief an den Theologen Helmut Gollwitzer ganz konkret: „Einmal hatte die Kirche die Chance des Christusbekenntnisses gegenüber uns Juden: im Dritten Reich. Diese Chance ist nicht wahrgenommen worden, sonst hätten Tausende und Abertausende von Christen für uns und mit uns in den Tod gehen müssen. Menschliche Scham sollte eine Benutzung des Zeugnischarakters des Christentums gegenüber dem Judentum in dem von Ihnen gebrauchten Sinn verbieten.“ Der Rabbiner Nathan Peter Levinson, ein Pionier des christlich-jüdischen Gesprächs, sprach von der Judenmission gar als „Holocaust mit anderen Mitteln“. Denn das Ziel sei es auch hier, den jüdischen Glauben zu vernichten. Schon als Gast der denkwürdigen Synodal-Tagung im Januar 1980 zu Bad Neuenahr hatte Levinson gesagt: „Ich sehe nicht, weshalb einige von Ihnen die Notwendigkeit der Judenmission gerade in diesem Lande sehen und nichts Besseres zu tun haben, als die wenigen Juden, die noch hier sind, aus ihrem Glauben herauszuholen. Ich bin darüber immer wieder erschüttert, und es sind andere Juden auch, und ich möchte nicht, dass auch in Zukunft unser Gespräch daran scheitern soll.“
Für Aufruhr sorgte daher auch die Karfreitagsfürbitte von Papst Benedikt XVI. 2008: „Lasst uns beten auch für die Juden, dass Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Heiland aller Menschen erkennen.“ Auf jüdischer Seite war das Entsetzen groß. Der jüdisch-katholische Dialog stockte. Der Vatikan wies den Vorwurf zurück, er rede einer Judenmission. Die Diskussion um die Judenmission geht also bis heute weiter und ist noch nicht abgeschlossen, obschon ihre Sinnhaftigkeit biblisch eigentlich bereits widerlegt ist. Die EKD stellte unlängst klar, dass der religiöse Pluralismus, also die Wahrung der vorhandenen Vielfalt gleichberechtigt nebeneinander bestehender und miteinander von religiösen Gruppen, Organisationen, Institutionen, Meinungen, Ideen, Werte und Weltanschauungen nicht zu diskutieren sei.
Deutlich nachvollziehen lässt sich dieser Paradigmenwechsel innerhalb der evangelischen Kirche auch in der EKD-Denkschrift „Christlicher Glauber und religiöse Vielfalt in evangelischer Perspektive“. Hier lässt sich eine klare Ausrichtung innerhalb der Theologie der Religionen (Atheismus, Exklusivismus, Inklusivismus, Pluralismus) hin zu einem offenen Dialog und dem Pluralismus erkennen.
Gott, wo bist Du?
Theodizee
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Von Gott verlassen?!
Das Leid der Welt stellt den Gottesglauben in Frage. Die Theologie muss versuchen zu klären, warum es das Leid gibt, wenn Gott die Menschen liebt (Allgüte), Entwicklungen vorhersehen kann (Allwissenheit) und auch die Macht hat, das Übel zu entsprechend zu verhindern (Allmacht).
Leibniz (1646-1716) hat das so entstehende denkerische Problem erstmals Theodizee („Rechtfertigung Gottes“) genannt; das Wort ist abgeleitet von der Kombination der griechischen Substantive „theós“ und „diké“: Gott und Gerechtigkeit. Die eigentliche Fragestellung ist aber viel älter.
Auf den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) wird folgender Text zurückgeführt: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der Eigenschaften Gottes eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an den Aussagen festgehalten werden kann.
Leibniz hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1883) sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche. Auch lt. dem 2014 verstorbenen ev. Theologen Wolfhart Pannenberg ist die Welt mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden. (vgl. Hans Jonas, aber auch: Supernatural).
Wolfgang Teichert (geb. 1944 ) geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht im Kontext der Theologie nach Ausschwitz (s.u.) davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindet, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei (vgl. Känguru-Chroniken). Dem stimmt auch Heinrich Heine zu, der Gott mit einem Tierquäler gleichsetzt.
Harold Kushner sagt im Gegensatz dazu, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt (vgl. Supernatural). Sören Kierkegaard (1813-1855) und Hans Kessler (geb. 1938) argumentieren zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein (vgl. Supernatural). Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Eine Übung zu Grundlagen
Das Buch Hiob
Auch die Bibel selbst erzählt von Leiderfahrungen, von Situationen, in denen sich Menschen im Leid von Gott verlassen fühlen. Das zum Theodizeeproblem am häufigsten diskutierte Buch ist gewiss Hiob. Mithilfe des Videos kann die Erzählung wiederholt werden.
Von Gott verlassen?!
Das Leid der Welt stellt den Gottesglauben in Frage. Die Theologie muss versuchen zu klären, warum es das Leid gibt, wenn Gott die Menschen liebt (Allgüte), Entwicklungen vorhersehen kann (Allwissenheit) und auch die Macht hat, das Übel zu entsprechend zu verhindern (Allmacht).
Leibniz (1646-1716) hat das so entstehende denkerische Problem erstmals Theodizee („Rechtfertigung Gottes“) genannt; das Wort ist abgeleitet von der Kombination der griechischen Substantive „theós“ und „diké“: Gott und Gerechtigkeit. Die eigentliche Fragestellung ist aber viel älter.
Auf den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) wird folgender Text zurückgeführt: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der Eigenschaften Gottes eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an den Aussagen festgehalten werden kann.
Leibniz hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1883) sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche. Auch lt. dem 2014 verstorbenen ev. Theologen Wolfhart Pannenberg ist die Welt mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden. (vgl. Hans Jonas, aber auch: Supernatural).
Wolfgang Teichert (geb. 1944 ) geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht im Kontext der Theologie nach Ausschwitz (s.u.) davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindet, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei (vgl. Känguru-Chroniken). Dem stimmt auch Heinrich Heine zu, der Gott mit einem Tierquäler gleichsetzt.
Harold Kushner sagt im Gegensatz dazu, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt (vgl. Supernatural). Sören Kierkegaard (1813-1855) und Hans Kessler (geb. 1938) argumentieren zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein (vgl. Supernatural). Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Das Buch Hiob
Du kannst den Erzählstrang des Hiobbuches auch mithilfe dieser von mir erstellten Übung wiederholen.
Von Gott verlassen?!
Das Leid der Welt stellt den Gottesglauben in Frage. Die Theologie muss versuchen zu klären, warum es das Leid gibt, wenn Gott die Menschen liebt (Allgüte), Entwicklungen vorhersehen kann (Allwissenheit) und auch die Macht hat, das Übel zu entsprechend zu verhindern (Allmacht).
Leibniz (1646-1716) hat das so entstehende denkerische Problem erstmals Theodizee („Rechtfertigung Gottes“) genannt; das Wort ist abgeleitet von der Kombination der griechischen Substantive „theós“ und „diké“: Gott und Gerechtigkeit. Die eigentliche Fragestellung ist aber viel älter.
Auf den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) wird folgender Text zurückgeführt: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der Eigenschaften Gottes eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an den Aussagen festgehalten werden kann.
Leibniz hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1883) sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche. Auch lt. dem 2014 verstorbenen ev. Theologen Wolfhart Pannenberg ist die Welt mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden. (vgl. Hans Jonas, aber auch: Supernatural).
Wolfgang Teichert (geb. 1944 ) geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht im Kontext der Theologie nach Ausschwitz (s.u.) davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindet, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei (vgl. Känguru-Chroniken). Dem stimmt auch Heinrich Heine zu, der Gott mit einem Tierquäler gleichsetzt.
Harold Kushner sagt im Gegensatz dazu, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt (vgl. Supernatural). Sören Kierkegaard (1813-1855) und Hans Kessler (geb. 1938) argumentieren zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein (vgl. Supernatural). Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Das Buch Hiob
Das Hiobbuch ist herausfordernd für uns als Leser. Es ist voll von Momenten, die uns irritieren. Wir haben über viele dieser Momente gesprochen. Hier folgen zwei Übungen, die Dich in diese Diskussionsansätze zurückführen.
Von Gott verlassen?!
Das Leid der Welt stellt den Gottesglauben in Frage. Die Theologie muss versuchen zu klären, warum es das Leid gibt, wenn Gott die Menschen liebt (Allgüte), Entwicklungen vorhersehen kann (Allwissenheit) und auch die Macht hat, das Übel zu entsprechend zu verhindern (Allmacht).
Leibniz (1646-1716) hat das so entstehende denkerische Problem erstmals Theodizee („Rechtfertigung Gottes“) genannt; das Wort ist abgeleitet von der Kombination der griechischen Substantive „theós“ und „diké“: Gott und Gerechtigkeit. Die eigentliche Fragestellung ist aber viel älter.
Auf den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) wird folgender Text zurückgeführt: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der Eigenschaften Gottes eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an den Aussagen festgehalten werden kann.
Leibniz hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1883) sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche. Auch lt. dem 2014 verstorbenen ev. Theologen Wolfhart Pannenberg ist die Welt mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden. (vgl. Hans Jonas, aber auch: Supernatural).
Wolfgang Teichert (geb. 1944 ) geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht im Kontext der Theologie nach Ausschwitz (s.u.) davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindet, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei (vgl. Känguru-Chroniken). Dem stimmt auch Heinrich Heine zu, der Gott mit einem Tierquäler gleichsetzt.
Harold Kushner sagt im Gegensatz dazu, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt (vgl. Supernatural). Sören Kierkegaard (1813-1855) und Hans Kessler (geb. 1938) argumentieren zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein (vgl. Supernatural). Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Das Buch Hiob
Hier folgt Teil 2.
Von Gott verlassen?!
Das Leid der Welt stellt den Gottesglauben in Frage. Die Theologie muss versuchen zu klären, warum es das Leid gibt, wenn Gott die Menschen liebt (Allgüte), Entwicklungen vorhersehen kann (Allwissenheit) und auch die Macht hat, das Übel zu entsprechend zu verhindern (Allmacht).
Leibniz (1646-1716) hat das so entstehende denkerische Problem erstmals Theodizee („Rechtfertigung Gottes“) genannt; das Wort ist abgeleitet von der Kombination der griechischen Substantive „theós“ und „diké“: Gott und Gerechtigkeit. Die eigentliche Fragestellung ist aber viel älter.
Auf den griechischen Philosophen Epikur (341-270 v. Chr) wird folgender Text zurückgeführt: Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht: dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft, oder er kann es und will es nicht: dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist, oder er will es nicht und kann es nicht: dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott, oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt: Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Lösungen des Problems werden auf zweierlei Weise gesucht: Der Widerspruch wird aufgelöst, indem die eine oder die andere der Eigenschaften Gottes eingeschränkt oder ganz fallen gelassen wird, oder indem man erklärt, wie an den Aussagen festgehalten werden kann.
Leibniz hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1883) sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche. Auch lt. dem 2014 verstorbenen ev. Theologen Wolfhart Pannenberg ist die Welt mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden. (vgl. Hans Jonas, aber auch: Supernatural).
Wolfgang Teichert (geb. 1944 ) geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht im Kontext der Theologie nach Ausschwitz (s.u.) davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindet, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei (vgl. Känguru-Chroniken). Dem stimmt auch Heinrich Heine zu, der Gott mit einem Tierquäler gleichsetzt.
Harold Kushner sagt im Gegensatz dazu, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt (vgl. Supernatural). Sören Kierkegaard (1813-1855) und Hans Kessler (geb. 1938) argumentieren zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein (vgl. Supernatural). Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Kritische
Sölle und Steffensky
Die beiden Reden Gottes am Ende des Buches Hiob werden als Antworten Gottes an den leidenden Hiob eingeführt. Aber sie antworten nicht wirklich auf die Fragen und Anklagen, die Hiob nach all seinem Unglück stellt! Gott fragt vielmehr ziemlich entrüstet, wer es wage, seinen Ratschluss durch unverständige Worte zu verdunkeln. Dabei hat Hiob nicht über die Entstehung der Meere gesprochen nicht über Wind, Schnee oder Regen, sondern über das, was Gott ihm angetan hat an Leid und Schmerz. Schließlich hat alles seinen guten Ausgang. Hiob bekommt am Ende 14.000 Schafe, 6.000 Kamele, 1000 Eselinnen und 10 Kinder! Welch ein schwaches Ende eines starken Buches. Als wenn einfach wiedergutzumachen wäre, was Hiob, seiner Frau und seinen Kindern geschehen ist; Weder das Ende des Buches überzeugt, noch die Verteidigungsrede Gottes in den letzten Kapiteln, wo er seine Muskeln spielen lässt.
Und was soll angesichts der Gefolterten in unserer Welt die Theologie der Freunde Hiobs? Ich kann sie nur verachten. Das Schema versucht das Verhältnis von Handeln und Ergehen auf eines von Ursache und Wirkung zu reduzieren: weil du schön fleißig warst, bist du jetzt reich, weil du soviel geraucht hast, bekommst du jetzt Lungenkrebs. Wenn es dir jetzt so schlecht geht, Hiob, muss das in deinem früheren Verhalten begründet sein.
Ich habe viele Jahre lang an der Frage des Leidens der Unschuldigen herumgedacht. Ich war auf die Frage nach dem omnipotenten Herrscher Himmels und der Erden konzentriert. Heute scheint mir der Grundbegriff, um den es in der Erzählung vom schuldlosen Leiden des frommen Mannes aus Uz geht, nicht der eines Kampfes mit dem Machthaber im Himmel, sondern der einer mystischen Liebe zu Gott. Kann sie sich auch im Leiden durchhalten? Die Frage, um die es dem Autor des Buches geht, heißt: ist ein zweck- und interessefreier Glaube an Gott überhaupt möglich? Gibt es so etwas wie „Religion – pur“, die nicht aus Angst vor Strafen reagiert oder auf Belohnungen aus ist? Oder ist Religion immer ein Deal in Tauschhandel, in dem Menschen sich etwas wie Wohlbefinden, Glück hier wie dort, Gesundheit, Reichtum, Anerkennung erwarten. und dafür bestimmte Selbstverpflichtungen eingehen? Die mystische Liebe zu Gott ist anders, sie ist „un amour fou“, eine verrückte Liebe, ohne Berechnung, eine Liebe, die sich nach Meinung des Teufels nicht auszahlt. Aber fragt diese verrückte Liebe zu Gott, den man weder knipsen noch bestechen kann, nach Auszahlung? Gott zu lieben heißt nicht: ich geb‘ dir den richtigen Glauben und komme dafür in den Himmel. Es heißt sich Gott geben, ohne Versicherung, ohne Rückzahlung. Hiob lebt seinen Glauben „gratis" und hilft so Gott, die Wette zu gewinnen. Selbst wenn er in äußerster Verzweiflung spricht, verflucht er nicht Gott direkt, wohl aber den Tag seiner Geburt. […] An keiner Stelle sagt Hiob, dass Gott ungerecht sei, wohl aber stellt er die Theologie des Lohns und der Interessen in Frage.
Käßmann
Es gibt theologische Kommentare, Gott dulde das Leiden der Menschen, um ihren Glauben zu prüfen. Das Hiobbuch könne das nahelegen. Dass Gott Menschen prüfen will, wäre doch merkwürdig. Dann wäre Gott eine Art Marionettenspieler, der mal hier eine Krebsdiagnose, mal dort einen Unfall oder eine Terrorattacke schickt. Ich selbst kann ein solches Gottesbild im christlichen Glauben nicht verankert sehen.
Und wir müssen erkennen: In den Hiobversen, die wir vor uns haben, erzeugt Gott das Leid nicht, ja Gott will das Leid nicht, selbst die Prüfung der Glaubenstreue ist nicht Gottes Idee. Und auch im weiteren Fortgang des Hiobbuches wird klar: Es ist viel zu simpel zu meinen, Leid im Leben sei die Folge sündigen Verhaltens. Dann wäre es ja klar: Wem es gut geht, der hat gottesfürchtig gelebt, wem es schlecht geht, der erlebt die Folgen seiner eigenen Taten. Diese Auffassung finden wir in vielen pfingstlerischen Kirchen und charismatischen Bewegungen. Das geht dann nach dem Motto: Wer genug betet und glaubenstreu ist, der ist auch gesund und erfolgreich. Mit dem christlichen Glauben und dem Wirken Jesu hat eine solche Auffassung nichts zu tun!
https://www.kirchentag.de/service/presse/manuskripte_2019?manuscriptId=47%7C%7C1&sessionId=370047101&cHash=01a0d72ea905900fd55bc013b601eead
Übungsmaterial:
Lohnende
Hehmann
Auszüge aus einer Predgit mit dem Titel "Prüfungsgeschichten auf dem Prüfstand" (2019)
[...] Ihr seht also: Ja, es gibt sie, die Prüfungsgeschichten in der Bibel.Aber vielleicht könnt Ihr nach meinen heutigen Worten verstehen, warum ich gerade bei der Hioberzählung so große Probleme damit habe, sie als schlichte Prüfungsgeschichte Gottes zu lesen. Es erscheint mir absolut abwegig, in einem biblischen Buch, das den Tun-Ergehen-Zusammenhang so radikal negiert diesen als Deutungsschlüssel annehmen zu wollen. Die Treue Gottes soll also am Ende einfach belohnt werden? Dies würde eindeutig zu viele Aspekte des Hiobbuches ignorieren.
Und: Wie der Exkurs auf die Gottesverkündigung Jesu und seine Zuwendung an Notleidende verdeutlichen sollte, erscheint mir eine derartige Lesart aus evangelischer Sicht mehrfach problematisch. Wie soll ein Gott, der uns Leid als Prüfungs- und damit Erziehungsmittel sendet vereinbar sein mit dem Gottesbild aus der Verkündigung Jesu? Mit einem Gott, der das Leben will statt des Todes, der Gesundheit will statt Krankheit. Ein Gott, der sich den Notleidenden und Sündern gnädig und in Liebe zuwendet? Mit dem Gott, der aus evangelischer Sicht gerade nicht die fromme Leistung zur Richtschnur der Gnade erhebt.
Und darüber hinaus: Wenn wir mit dieser Perspektive der Gottesverkündigung Jesu in den sogenannten Prüfungsgeschichten, wie der des "Sündenfalls", der aufgehaltenen Opferung Isaaks durch Abraham oder eben der Hioberzählung über den Prüfungscharakter hinausschauen, dann können wir viel mehr über Gott lernen und erkennen, so wie Hiob. Im "Sündenfall" erkennen wir plötzlich einen Gott, der die Freiheit des Menschen will, der bei Abraham ein deutliches Zeichen gegen grausame Menschenopfer aussendet oder - wie bei Hiob - den Tun-Ergehen-Zusammenhang negiert.
Schwienhorst-Schönberger
Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts des zum Himmel schreienden Leids in der Welt, so wird gewöhnlich gesagt, bleibe auch im Buch Ijob unbeantwortet. Gegenüber diesen und ähnlichen Deutungen möchte ich im Folgenden zeigen, dass der Weg, den Ijob geführt wird und den er geht, nicht in der Ausweglosigkeit endet. Am Ende präsentiert uns das Buch eine Lösung. Offen bleibt die Frage, ob wir bereit und in der Lage sind, diese Lösung anzunehmen. Dazu ist es jedoch zunächst einmal erforderlich, sie zu verstehen. Der Weg Hiobs lässt sich vergleichen mit dem Erwachsenwerden eines Menschen. […] Und damit wird Hiob zum Modell. Aber nicht für eine Theodizee, sondern für einen realistischen Reifungsprozess eines Gläubigen. […] Man kann den hier ablaufenden Prozess als eine radikale Wandlung des Gottesbildes verstehen. Wie sich diese Wandlung vollzieht, lässt sich gut nachvollziehen. Hiob liegt mit Gott im Streit. Er fühlt sich von Gott angegriffen. Was hier abläuft, lässt sich als innere Klärung des Gottesbildes verstehen. Wenn wir in aller Nüchternheit auf die Ijoberzählung schauen, müssen wir feststellen: Die Gottesfeindschaft, die Ijob erfährt, stimmt nicht mit dem überein, was der allwissende Erzähler sagt. Nirgendwo wird auf der Ebene der Erzählung gesagt, dass Gott Ijob geschlagen oder angegriffen habe. Ijob sagt das, aber nicht der Erzähler. In Ijob vollzieht sich ein Prozess der Klärung, bei dem der Unterschied zwischen dem, was er wahrnimmt, und dem, was wirklich geschieht, immer deutlicher hervortritt. In Ijob bricht die Erkenntnis durch, dass es noch einen „anderen Gott“ gibt als den, von dem er meint, dass er ihn verfolge. Aber auch ein anderer, als der, den er sich zu Beginn der Geschichte vorstellte. Da es aber in der Tradition, aus der heraus Ijob spricht, keine Mehrzahlt Gottes gibt, bedeutet dies: der Zeuge, den Ijob anruft, ist sein Gott. Dies wirkt paradox, deutet aber darauf hin, dass Ijob von der Vorstellung, Gott würde ihn verfolgen, befreit wird. Der Schlüssel zum Verständnis des Buches findet sich in der zweiten Antwort Ijobs (42, 1-6): „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.“ Mit Hören dürfte jenes „Gotteswissen“ gemeint sein, das Ijob durch Tradition übermittelt wurde. […] Jetzt aber ist etwas anderes geschehen: Sein Auge hat Gott geschaut.
Dass mit „Schauen“ kein äußerer Vorgang, sondern eine innere Erfahrung zur Sprache kommt, ergibt sich schon allein aus dem Kontrast zur vorhergehenden Gottesrede: Gott hatte „gesprochen“, doch Ijob hat „geschaut“. Nirgends wird das Aussehen Gottes beschrieben. Ijob hat keine göttliche Gestalt gesehen, sondern er hat etwas „erkannt“.
Übung zu Deutungsansätzen zum Hiobbuch
Das Theodizeeproblem ist in der theologischen Auseinandersetzung immer wieder diskutiert worden. Es gilt auch als das häufigste Argument für Atheismus. Viele Theologen haben den Versuch einer Theodizee unternommen. Einige sollen hier vorgestellt werden. Klicke dazu hier.
Gottfried Wilhelm Leibniz: hat den Begriff von der „besten aller möglichen Welten" entwickelt: Aus einer unendlichen Zahl möglicher Welten habe Gott die real existierende geschaffen. Diese sei, weil Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, die beste mögliche. Das Übel ergebe sich notwendig aus der Endlichkeit der Welt. Wäre sie gänzlich gut, so wäre sie identisch mit Gott, was aber dem Wesen der Schöpfung widerspricht. Leibniz weist auf einen notwendigen Zusammenhang zwischen Gutem und Üblem hin. Es gäbe nämlich Gutes, das nur zum Preis der Existenz von Übel zu haben ist. Das Leid führt den Menschen zur Verhaltensänderung und dient so der Erziehung der Menschheit.
Georg Friedrich Wilhelm Hegel: sah das Leid der Welt eher als Durchgangsstation. Hier diene es als ein notwendiger Prozess zu einem guten Ende. Gottes Allgüte steht zum Leid und Übel der Welt nicht im Widerspruch, da Gott bereits den Ausgang der Geschichte kenne und daher nicht regulierend (Leiden vermindernd) einzugreifen brauche.
Wolfhart Pannenberg: die Welt ist mit Gott noch im „Werden“. Gott arbeitet noch an der Vollendung und damit wird der Mensch immer mehr von dem Bösen befreit. Das Böse sei schon zu Anfang da gewesen und sei nicht Gottes Werk gewesen. Aber für uns versuche er, das Leid nach und nach zu vernichten. Die Allmacht Gottes ist demnach noch im Werden.
Wolfgang Teichert: geht davon aus, dass Gott das Böse hätte verhindern können, aber es nicht wollte. Er geht davon aus, dass Gott eine gewisse Lust empfindee, sein Volk leiden zu sehen und sagt, dass Gott sogar ein Sadist und Verräter sei.
Harold Kushner: sagt, dass Gott das Böse aufheben will, es aber nicht kann. Er geht davon aus, dass Gottes Allmacht Grenzen hat (also nicht vollkommen allmächtig ist) und daher es noch Leid auf der Welt gibt.
Sören Kierkegaard: argumentiert zentral mit der menschlichen Freiheit, die sich aus dem biblischen Menschenbild ergibt. Sie legen den Schwerpunkt also darauf, dass die Menschen frei sind, entweder gut oder böse zu handeln. Da Gott dem Menschen diese Freiheit geschenkt hat, hat er seine Allmacht aus Liebe eingeschränkt und greift daher nicht mehr „aktiv" in die Welt ein .
Albert Camus (1913-1960), ein Vertreter des Existenzialismus , nimmt das Leid in der Welt als ein Argument für die Nicht-Existenz Gottes (Atheismus).
Antwortversuche auf das Theodizeeproblem
Antwortversuche auf das Theodizeeproblem
Antwortversuche auf das Theodizeeproblem (Filme)
Exkurs: Theologie nach Ausschwitz
Für P4 und P5-Prüflinge ausgenommen.
Wie bereits geschildert, hat sich das Judentum stets als Gottes erwähltes Volk und als Bündnispartner Gottes verstanden. Gott hat in der Geschichte der Tora immer wieder eingegriffen, gerettet und auch bestraft. Der Holocaust, die geplante systematische Tötung von 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden hat dieses Verständnis nachhaltig erschüttert. Die Shoah (hebr.: „die Katastrophe“, „das große Unglück/Unheil“) ist für Überlebende wie Nachgeborene außer einem existenziellen Trauma auch eine schwere religiöse, theologische und philosophische Herausforderung. Kann man nach dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden noch von Gott als Bündnispartner reden? Hat es noch Sinn, das Judentum, das anscheinend nur Leiden bereithält, am Leben zu erhalten?
Es geht also darum, ob an einen Gott geglaubt werden kann, der den Massenmord an sechs Millionen Menschen nicht verhinderte. „Theologie nach Auschwitz" bezeichnet die diesbezügliche Auseinandersetzung jüdischer und christlicher Theologen mit der Frage, ob und wie nach dem Holocaust von Gott gesprochen werden kann. Das theologische Gespräch darüber begann allerdings nicht unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern mit rund 30-jähriger Verzögerung in den 1970er Jahren und dauert bis heute an. Besonders die niedergeschriebenen Erinnerungen des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel waren eine Initialzündungen für die intensiven Diskurse in der Theologie nach Ausschwitz. Seine Erzählungen vom Küster-Mosche, von der schrecklichen Erhängung eines Kindes im KZ, aber auch der Bericht über den Prozess gegen Gott, den zwei gelehrte Rabbiner in einem rabbinisches Tribunal im KZ anstrebten, und bei dem Gott für „schuldig“ erklärt und gleichsam in der Folge angebetet wurde, konnten von jüdischer Seite nicht unbeanwortet bleiben.
Elie Wiesel formulierte es so: „Nicht einmal Gott, den Gott Israels, schien es zu rühren. Mehr noch als das Schweigen der andern war Gottes Schweigen ein Geheimnis, das vielen von uns rätselhaft bleibt und uns bedrückt bis auf den heutigen Tag. Doch dies ist ein Thema, das wir am heftigsten diskutieren, wenn wir unter uns sind.“ Für viele Zeitzeugen, die Angst, Hunger, Folter und Vergasungen miterlebt haben, ist klar: Gott ist in Auschwitz gestorben. Auch viele christliche Vertreter meldeten sich in dieser Auseinandersetzung über die Gottesrede nach Auschwitz zu Wort. Es folgt eine Übersicht von zentralen Vertretern und ihren Einschätzungen zur „Theologie nach Ausschwitz“:
• Gott hat angesichts der Shoah nicht eingegriffen, weil es nicht in seiner Macht steht (Hans Jonas).
• Gott hat den Menschen mit einem freien Willen ausgestattet und daher nicht eingegriffen (Eliezer Berkovits).
• Die Shoah wird als eine Strafe Gottes gedeutet (Teile des ultra-orthodoxen Judentums).
• Es gibt keinen Gott, da die Verursachung der Shoah durch Gott nicht denkbar ist (Richard Rubenstein).
• Es ist die Pflicht der Juden, Gott zu verehren, damit Hitler nicht posthum triumphiert (Emil Fackenheim).
• Gottes Schweigen ist ein Geheimnis, das rätselhaft bleibt und uns bis heute bedrückt und Zorn sowie Trauer hervorruft (Elie Wiesel).
Im Christentum kam man erst nach und nach zu der Erkenntnis, dass die geschehenen Verbrechen auch eine tiefgreifende Anfrage an die christliche Theologie sind. Neben der Theodizee-Frage liegt dabei der Fokus auf der Suche nach Ansätzen, die nicht antijudaistisch sind. Auch hier sind unterschiedliche Anknüpfungspunkte möglich:
• Dorothee Sölle und Jürgen Moltmann betonen je unterschiedlich, dass Gott selber in der Shoah mit den Opfern gelitten hat, und bringen dies mit Gottes Leiden in Jesus Christus in Verbindung.
• Friedrich-Wilhelm Marquardt sieht „Auschwitz“ als tiefgreifende Infragestellung der christlichen Rede von Gott. Er bemüht sich um eine christliche Dogmatik im Angesicht des Judentums und im Respekt ihm gegenüber.
Ein Gott ohne Allmacht? Hans Jonas
Der jüdische Theologe Hans Jonas setzte sich mit der Frage nach dem Leid und dem Gotteskonzept auseinander. Die Ergebnisse seiner Überlegungen lassen sich in Form dieses Interviews nachzeichnen:
- Kann aus jüdischer Perspektive nach der Shoah (dem Holocaust) noch wie im Vorfeld von Gott gesprochen werden?
Nein
- Hat die systematische Ermordung der Juden im Holocaust das Verständnis Gottes als Bündnispartner des Volkes Israel nachhaltig zerstört?
Ja
- Ist für Sie ein durch und durch boshafter Gott denkbar?
Nein
- Ist für Sie ein Gott abseits von Allmacht denkbar?
Ja
- Hat dieser Gott dann trotzdem etwas mit dem Menschen und dem Geschehen auf der Welt zu tun?
Ja
- Hat Gott aber noch unmittelbar Einfluss auf das Weltgeschehen?
Nein
- Hat Gott sich im Schöpfungsprozess ganz in die Schöpfung hineingegeben?
Ja
- Ist Gott dann verantwortlich für Leid in der Welt?
Nein
- Ist der Mensch dann verantwortlich für Leid, bzw. für dessen Verhinderung?
Ja
- Kann Gott dann scheitern mit der Schöpfung, wenn der Mensch scheitert?
Ja
Danke für das Interview, Herr Jonas!
- [Ist dieses Gedankenkonstrukt eines ohnmächtigen Gottes auch aus christlicher Perspektive gedacht werden? -> denke an die Auseinandersetzung mit der Kreuzigungstheologie in 13.2.!]
Religionskritik
Aufklärung und Selbstbestimmung des Menschen
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.“ Dies ist wohl das berühmteste Zitat Immanuel Kants, das den Grundgedanken der Aufklärung ins Zentrum rückt. Im Kontext der Infragestellung der weltlichen und kirchlichen Machthaber kam es letztlich auch zum Diskurs über das, was überhaupt wahr ist. Wohingegen im Mittelalter der Verweis auf „Gott“ oder die „Hl. Schrift“ als Legitimation ausreichte, ging mit dem Streben nach vernunftgesteuerter Mündigkeit auch die Infragestellung kirchlicher und letztlich sogar göttlicher Weisheit einher.
Es galt, dass die eine von oben vordiktierte Meinung nicht gültig sein müsse, wie es im Verständnis des mittalterlich-religiösen Exklusivismus (nur die eigene, christliche Religion kann als wahr gelten) proklamiert wurde. Bisher aufgestellte Wahrheiten mussten philosophisch und wissenschaftlich hinterfragt und bisherige Denkverbote aufgehoben werden. In der Aufklärung eröffnete sich ein weites Feld von Erkenntnismöglichkeiten. Das ist die Basis für Pluralismus: die Anerkennung diverser, durchaus auch konträrer Ansichten. Damit legte die Aufklärung den Grundstein zu einem heute populären religiösen Pluralismus, bei dem keine Religion die absolute Wahrheit und den alleinigen für sich beanspruchen kann. Ein bekannter Vertreter dieses religiösen Pluralismus von heute ist etwa John Hick.
Maßgeblich für die Wissenschaften der Aufklärung wurde der logische Empirismus. Er geht davon aus, dass das, was der Mensch mit Regelmäßigkeit als Erfahrung wahrnehmen könne, wahr sei. Somit gründet sich im Zeitalter der Aufklärung im jeweils aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis das, was man logisch-empirisch für Wahrheit hält.
Die neuen Hüter der Wahrheit waren nicht mehr Priester, die sich auf eine Hl. Schrift berufen, sondern Wissenschaftler. Zu ihrem Kult und Ritual gehörten das Experiment zur Wahrheitsfindung; ihre Gottesdienste waren z.B. Vorlesungen in der Universität, Studium in der Bibliothek. Und so dauerte es nicht lange, bis Erkenntniskritiker auch das Fundament des Glaubens, die Existenz Gottes selbst in Zweifel zogen. Philosophische Denkmuster suchten hier einen Weg, Gottes Existenz argumentativ zu beweisen. Wir sprechen von so genannten Gottesbeweisen, die in der Folge kurz vorgestellt werden.
Exkurs: Aufklärung und die Infragestellung Gottes
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Ludwig Feuerbachs „Projektionstheorie“
Während bei allen Religionen der eigene Gott im Mittelpunkt steht, sieht Feuerbach den Menschen als Dreh- und Angelpunkt im System. Der Mensch ist laut Feuerbach der Anfang, der Mittelpunkt und das Ende der Religion. Gott selbst ist für Ludwig Feuerbach lediglich ein projiziertes Spiegelbild der menschlichen Natur. Gott ist also das, was der Mensch gern sein würde, aber nicht ist. Gott ist damit ein überhöhter Mensch, eine Macht, die scheinbar nicht greifbar ist. So meinte Feuerbach: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde“. Man erkennt deutlich die Extremen bei der Charakterisierung von Mensch und Gott. Während Gott sämtliche positiven Eigenschaften in sich vereint, sind es beim Menschen die negativen. Nach dieser Feststellung geht Feuerbach einen Schritt weiter und meint:
Indem er sich als den Produzenten Gottes entdecke, könne seine in der Religion fehlgeleitete Vernunft zur Humanisierung freigesetzt werden: In der zwischenmenschlichen Liebe finde der Mensch seine wahre Erfüllung.
Statt die ganze Kraft und Liebe in einen Gott zu projizieren, der laut Feuerbach nicht existiert, soll man diese Kraft und Liebe direkt auf den Menschen richten. Damit würde man viel mehr erreichen und bewegen, als das die Religion überhaupt im Stande wäre.
Ludwig Feuerbachs religionskritischer Ansatz kann man also in vier Aspekte unterteilen:
- Erkenntnis der Religion als Projektion
Der Mensch muss erkennen, dass Gott lediglich eine Projektion seiner unerfüllten Wünsche und positiven Eigenschaften ist. - Aufhebung der Entzweiung des Menschen
Nach der Erkenntnis der Projektion muss die Entzweiung des Menschen aufgehoben werden. Denn ohne diese, sieht sich der Mensch weiterhin nur als schlechtes Abbild eines Gottes. Der Mensch soll aber selbst sich auf seine eigenen positiven Eigenschaften und Fähigkeiten besinnen, statt sie weiterhin, trotz der Erkenntnis, auf Gott zu projizieren. - Verwandlung der Theologie in Anthropologie
"Abschaffung/Umwandlung" der Religion zu Gunsten der Lehre des Menschen. - Verantwortung des Menschen im Diesseits
Nach der Verwandlung der Theologie in die Anthropologie soll nun der Mensch dem Menschen helfen: Der Mensch ist für den Menschen Gott - homo homini deus est.
Ludwig Feuerbach über Religion (gekürzt und vereinfacht)
„Die Religion, wenigstens die christliche, ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst. Oder richtiger: zu seinem eigenen Wesen, nicht aber zu einem anderen Wesen. Denn das göttliche Wesen ist nichts anderes als das menschliche Wesen. Oder besser: das Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des individuellen, d.h. wirklichen, leiblichen Menschen, der im Hier und Jetzt leben muss und daran nichts ändern kann (=Kontingenz). Dieses abgesonderte Wesen des Menschen wird vergegenständlicht, d.h. angeschaut und verehrt als ein anderes, von ihm unterschiedenes eigenes Wesen. Alle Bestimmungen des göttlichen Wesens sind darum Bestimmungen des menschlichen Wesens.
Die Religion ist somit die Entzweiung des Menschen mit sich selbst: Er setzt sich Gott als ein ihm entgegengesetztes Wesen gegenüber. Gott ist nicht, was der Mensch ist. Der Mensch ist nicht, was Gott ist. Gott ist das unendliche, der Mensch ist das endliche Wesen. Gott vollkommen, der Mensch unvollkommen. Gott ewig, der Mensch zeitlich. Gott allmächtig, der Mensch ohnmächtig. Gott heilig, der Mensch sündhaft. Gott und Mensch sind Extreme: Gott das schlechthin Positive, der Inbegriff aller Realitäten, der Mensch das schlechtweg Negative.
Der Mensch glaubt Götter nicht nur, weil er Phantasie und Gefühl hat, sondern auch, weil er den Trieb hat, glücklich zu sein. Er glaubt ein seliges Wesen nicht nur, weil er eine Vorstellung der Seligkeit hat, sondern weil er selbst selig sein will. Er glaubt ein unsterbliches Wesen, weil er selbst vollkommen zu sein wünscht. Er glaubt ein unsterbliches Wesen, weil er selbst nicht zu sterben wünscht. Was selbst nicht ist, aber zu sein wünscht, das stellt er sich in seinen Göttern als seiend vor; die Götter sind die als wirklich gedachten, die in wirkliche Wesen verwandelten Wünsche des Menschen. Ein Gott ist der in der Fantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen. Hätte der Mensch keine Wünsche, so hätte er trotz Fantasie und Gefühl keine Religion, keine Götter. Und so verschieden die Wünsche sind, so verschieden sind die Götter. Der Trieb, aus dem die Religion hervorgeht, ihr letzter Grund ist der Glückseligkeitstrieb, als der Egoismus.
Aber was der Religion das Erste ist, Gott, das ist wie bewiesen, an sich, der Wahrheit nach das Zweite, denn er ist nur das sich gegenständliche Wesen des Menschen, und was ihr das Zweite ist, der Mensch, das muss daher als das Erste gesetzt und ausgesprochen werden. Die Liebe zum Menschen darf keine abgeleitete sein. Sie muss zur ursprünglichen werden. Dann allein wird die Liebe eine wahre, heilige, zuverlässige Macht. Ist das Wesen des Menschen das höchste Wesen des Menschen, so muss auch praktisch das höchste und das erste Gesetz die Liebe des Menschen zum Menschen sein. Homo homini Deus est (Der Mensch ist des Menschen Gott) – dies ist der oberste praktische Grundsatz, dies der Wendepunkt der Weltgeschichte.“ Demzufolge verpufft laut Feuerbach die menschliche Energie unnötig in der Verehrung des Heiligen, anstatt dem Menschen in Liebe zu dienen. Daher fordert Feuerbach, dass Religion abgeschafft werden sollte, damit der Mensch sich um den Menschen kümmert und nicht um eine idealisierte Illusion von sich selbst davon abgelenkt wird. Die Vertröstung auf das Jenseits führe zu einer Untätigkeit im Diesseits.
Wenn man Feuerbachs Kritik untersucht, dann darin liegt natürlich kein Beweis vor, dass Gott nicht existiert. Nur weil es ein Wunsch ist, muss dieser Wunsch keine Illusion sein. Sein Wirklichkeitsbegriff lässt nur materielles Sein als real gelten. Darüber hinaus sind sowohl das glorifizierte Gottesbild und das überaus negative Welt- (Schöpfung ist kein „Jammertal“) und Menschenbild, das seiner Projektionstheorie innewohnt, biblisch abzulehnen. Ferner muss für ein christliches Verständnis von Nachfolge abgelehnt werden, dass der Mensch ausschließlich auf ein fernes Diesseits vertröstet würde und somit vom Handeln am Mitmenschen abgehalten würde. Genau das Gegenteil ist der Fall! Eine von Feuerbach geforderte atheistische Gesellschaft muss einer religiösen nicht zwanghaft überlegen sein. Historisch betrachtet ist dies so nicht haltbar. Darüber hinaus versteht Feuerbach den Religionsbegriff rein substanziell und wird damit der Komplexität von Religion nicht gerecht.
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Karl Marx und die Notwendigkeit eines Klassenkampfes
Karl Marx setzte diese Religionskritik Feuerbachs voraus. Er stellte fest: „Für Deutschland ist die Kritik der Religion im Wesentlichen beendigt.“ Somit findet sich bei der Kritik an der Religion selbst keine neue Idee, kein neues Denkmuster als das, was bei Feuerbach bereits vorlag. Was Marx (und Engels) vielmehr vollzogen, war eine Politisierung der Projektsionstheorie Feuerbachs auf die gesellschaftlichen Missstände des 19. Jahrhunderts hin, was auch in der verwendeten Begrifflichkeit auffällt. Um dies zu verstehen, ist ein Grundsatzverständnis der industriellen Gesellschaft notwendig. Im späten 18. Jahrhundert begann in England die industrielle Revolution. So nennt man die Zeit, als das traditionelle Handwerk von Fabriken und mechanisierten Abläufen verdrängt wurde, als sich die Agrargesellschaft in eine Industriegesellschaft wandelte. Die industrielle Revolution griff bald auf das europäische Festland über und verwandelte auch dort Gesellschaft und Lebensverhältnisse total: Die wenigen Fabrikbesitzer (Bourgeoisie) wurden immer reicher – die große Masse der Arbeiter (Proletariat) wurde immer ärmer und verelendete immer mehr.
Überall erschienen nun Schriften und Zeitungsartikel, die sich darüber empörten, wie schamlos sich die Fabrikbesitzer auf Kosten der Arbeiter bereicherten. Es gab einige Denker, die daran zweifelten, dass ein Ende dieser Ausbeutung ohne grundlegende Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse möglich sei. Der bedeutendste von ihnen war Karl Marx. Er forderte, den eigennützigen Fabrikbesitzern die Produktionsmittel (die Maschinen und Rohstoffe) einfach wegzunehmen. Sie sollten in den Besitz des Staates übergehen, damit sie der gesamten Gesellschaft zugute kämen. Da dieser Vorgang auf eine „Sozialisierung” (von lateinisch socialis: kameradschaftlich, gesellig), also eine Vergesellschaftung von Privateigentum, hinauslaufen würde, werden solche Ideen als sozialistisch und ihre Anhänger als Sozialisten bezeichnet. Die höchste Entwicklungsstufe des Sozialismus ist der Kommunismus (von lateinisch communis: gemeinschaftlich): eine Gemeinschaft gleichgestellter Menschen, die sich vom Gemeineigentum nehmen können, was sie zum Leben brauchen.
Zusammen mit Friedrich Engels hat Karl Marx als Erster den Versuch unternommen, die geschichtliche Notwendigkeit des Kommunismus wissenschaftlich zu beweisen. Zu diesem Zweck untersuchten sie die Entwicklung der Beziehung zwischen Mensch und Wirtschaft in der Geschichte. Karl Marx sah den Klassenkampf als eine Folgeerscheinung ungerechter Besitzverhältnisse und Ausbeutung. Der Staat war für ihn nur ein Machtwerkzeug der jeweils herrschenden Klasse zum Zweck der Ausbeutung und Unterdrückung der anderen. In einer Industriegesellschaft besitzen die Kapitalisten alle Produktionsmittel und beherrschen damit den Markt. Die Proletarier dagegen besitzen nichts weiter als ihre eigene Arbeitskraft. Um überleben zu können, müssen sie diese auf dem Arbeitsmarkt anbieten. Die Kapitalisten kaufen die Arbeitskraft zum geringstmöglichen Preis. Aus der Arbeit, die die Proletarier mit ihrer billigen Arbeitskraft in den Fabriken verrichten, entstehen Waren. Und die sind viel mehr wert als der Lohn, den sie dafür erhalten. Dieser „Mehrwert” macht die Kapitalisten reicher und reicher. Sie bauen davon neue Fabriken, in denen sie weitere Arbeiter ausbeuten können, und so weiter und so fort. Nun stehen die Kapitalisten aber untereinander in einem mörderischen Wettbewerb. Da sich nur diejenigen durchsetzen, die am meisten Kapital haben, beuten sie die Proletarier immer brutaler aus. Eines Tages werden die Zustände so unerträglich, dass es zur Revolution kommt. Die verelendeten Massen werden sich dann gegen die Kapitalisten erheben und eine Diktatur des Proletariats errichten. Die Produktionsmittel werden enteignet und vergesellschaftet, die Klassengegensätze beseitigt. Das ist in Kurzform die Lehre des Karl Marx, der „Marxismus”. Seine revolutionären Ideen veränderten die Welt.
Im Kontext dieser Ideen richtete er sich auch gegen die Religion. Die Gesellschaft produziert Religion als illusorisches Glück des selbstentfremdeten Menschen, der mit der Situation der Klassengesellschaft unzufrieden ist. Selbst entfremdet, weil Religion den Menschen aus der realen Welt enthebe und ihm vorgaukle, dass die diesseitige Welt weniger von Bedeutung sei (vgl. Feuerbach). Dies kritisiert Marx, denn: „der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät.“ Dabei sei die Hinwendung zur Religion durch den Menschen nur eine zaghafte Anklage gegen das Elend, ein „Seufzer“ über das Elend, ein „sich selbst vertrösten“ durch die Illusion von Glück (im Jenseits, bei Gott). Daher nennt Marx Religion auch „Opium des Volkes“. Lenin verschärfte diese Aussage später zu „Opium für das Volk“. Marx selbst ging aber davon aus, dass die Gesellschaft sich diese Illusion selbst schaffe und sie nicht von der Obrigkeit bewusst zur Legitimation der Zustände genutzt wurde. Dennoch führe Religion zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Gegebenheiten der Klassengesellschaft, da der Mensch durch sie eine falsche Hoffnung bekomme, die ihn vom Kampf gegen die Missstände wie eine „blumenverzierte Kette“ abhalte. Das Proletariat solle aber für wirkliches Glück sorgen und den aktiven Kampf für eine klassenlose Gesellschaft annehmen. Dann – davon war Marx überzeugt – werde die Religion von ganz alleine verschwinden, da die Menschen keine Notwendigkeit nach einem illusorischen Glück verspüren würden.
Bei der kritischen Auseinandersetzung mit Marx gelten zunächst einmal alle Kritikpunkte, die bereits für Feuerbach genannt wurden, da Marx die Projektionstheorie als Grundlage nutzt. Darüber hinaus kann nicht verifiziert werden, dass gerade die christliche Lehre nicht im Widerspruch zu einer klassenlosen Gesellschaft steht. Insbesondere in den Erzählungen aus der Urgemeinde, aber auch im Wirken Jesu finden sich deutliche Anklänge davon, als eine Form von Gütergemeinschaft zu leben. In Apg 2,42-47 wird ganz deutlich, wie die Urgemeinde als Gemeinschaft in Liebe zusammenlebte und den ganzen Besitz teilte (Verse 43-44). Grundstücke und Wertgegenstände wurden verkauft und unter den Bedürftigen aufgeteilt. Sie aßen gemeinsam und priesen Gott. Auch ein Blick in das AT zeigt viele Propheten (Bsp. Amos), die sich auf Gottes Geheiß hin gegen Klassenausbeutung gewandt haben. Demzufolge kann Religion – insbesondere in biblisch-christlicher Tradition – auch bis heute ein Katalysator zur Überwindung von ungerechten Gesellschaften und kein Vertrösten oder gar ein Stabilisator derselben sein. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass ein Gedanke von Marx sich nicht bewahrheitet hat. Denn trotz der Überwindung der Klassengesellschaft hat Religiösität zwar abgenommen, aber verschwunden ist sie nicht.
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Siegmund Freud: Religion als Zwangsneurose
Die Religionskritik endete keineswegs mit dem 19. Jahrhundert. Die Theorien und Methoden des österreichischen Neurologe Siegmund Freud (1856-1939) werden bis heute diskutiert und angewendet. Er gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts. Er formulierte eine neuropsychologische Religionskritik.
Für Sigmund Freud war die Entstehung von Religion ganz selbstverständlich ein psychologisches Phänomen: „Die Psychoanalyse hat uns den intimen Zusammenhang zwischen dem Vaterkomplex und der Gottesgläubigkeit gelehrt, hat uns gezeigt, dass der persönliche Gott psychologisch nichts anderes sei als ein erhöhter Vater, und führt uns täglich vor Augen, wie jugendliche Personen den religiösen Glauben verlieren, sobald die Autorität des Vaters bei ihnen zusammenbricht.“ Religiöse Vorstellungen seien „nicht Niederschläge der Erfahrung oder Endresultate des Denkens“, sondern „Illusionen, Erfüllungen der ältesten, stärksten, dringendsten Wünsche der Menschheit“ nach Schutz. Diese Wünsche verweisen lt. Freud zurück auf einen hilflosen, kindlichen Menschen, der sich nach Schutz vor den Gefahren des Lebens sehnt. Es geht also nach Freud – wie bei Feuerbach – um Projektionen. Die unklare innere Wahrnehmung werde nach außen, auf etwas Jenseitiges hin, auf einen perfekten Vater projiziert. Doch all diese Wünsche seien nach Freud infantile Wünsche, geboren aus den nie ganz überwundenen Konflikten der Kindheit. Er erkennt in Religiösität eine Neurose, einen Vaterkomplex, da der psychische Apparat durch diese übersteigerte Ausrichtung auf einen illusionären Vater aus dem Gleichgewicht gekommen sei:
Freud definierte psychische Gesundheit – stark vereinfacht gesprochen – durch ein Gleichgewicht von drei Instanzen (Instanzenmodell). Diese Instanzen sind das „Über-Ich", das „Ich" und das „Es".
Das Es sei von Geburt an existent und werde durch das Lustprinzip gesteuert. Alle lustvoll erlebten Aktivitäten bedürfen sofortiger Befriedigung, ohne Berücksichtigung der momentanen Situation. Die Vorgänge im Es laufen unbewusst ab, es stellt z.B. den Sitz für Eros, den Liebestrieb dar.
Das Über-Ich stellt das Gewissen und die Moral des Menschen dar. Das Über-Ich ist der Träger des Ich-Ideals. Das Ideal entsteht durch Identifizierung mit Vorbildern. Es kann mit einem Richter verglichen werden und wird während der Erziehung durch Sozialisation, die Verinnerlichung von Werten und Normen, gebildet. Das Über-Ich ist der Gegenspieler des Es. In ihm befinden sich bewusste und unbewusste Anteile.
Das Ich bezieht Energie aus dem „Es“ und hat die Aufgabe, eine Beziehung zur Außenwelt herzustellen. Ohne das „Ich“ würde das „Es“ nur nach blinder Entladung seiner Triebe streben. Das „Ich“ beobachtet also die Außenwelt, nimmt sie möglichst naturgetreu wahr, erinnert sich an sie und handelt. Zwischen Bedürfnis und Handlung wird die Denkarbeit eingesetzt. Das Ich stellt das Realitätsbewusstsein dar und ist stets um Unabhängigkeit bemüht: das „Ich" ist der Vermittler zwischen den Trieben des „Es“ und den Werten und Normen des „Über-Ich“ unter Berücksichtigung der Realität. Wenn nicht gerechtfertigte Wünsche von „Es“ und „Über-Ich“ abgewehrt werden sollen, greift das „Ich“ auf Abwehrmechanismen zurück. Das „Ich“ enthält bewusste und unbewusste Anteile. Sigmund Freud verglich das „Es“ mit einem Pferd und das „Ich“ mit dem Reiter. In Lehrbüchern tritt zur Veranschaulichung manchmal der Reitlehrer als „Über-Ich“ mit hinzu.
Freud erkannte in Religiösität folgendes Problem für das Verhältnis der Instanzen. Grundsätzlich gibt in einer Entscheidungssituation der Instinkt (das Es) zunächst einen Handlungsvorschlag ab, der sogleich mit der Moral (Über-Ich) hinterfragt werde. Psychische Gesundheit herrsche dann vor, wenn „Über-Ich“ und „Es“ hierbei im Gleichgewicht seien, sodass sich das „Ich“ zwischen diesen Polen angemessen entfalten könne. Dies liege bei einem religiösen Menschen aber nicht vor, da das „Über-Ich“ modifiziert worden sei und so innerhalb der Instanzen die klare Oberhand gewinne. Das schlechte Gewissen, dass sich aus dem Nachgeben des „Es“ ergebe, führe zu einer übersteigerten Selbstkritik und einem negativen Selbstbild. So strebe der religiöse Mensch nach Unterdrückung der Triebhaftigkeit und des „Es“. Die Folge daraus sei die zwanghafte Einschränkung seiner Grundbedürfnisse aufgrund einer von außen gegebenen Richtlinie. Lt. Freud folgern aus Religiösität demnach neurotische Zwangshandlungen.
Der Außenstehende fragt sich natürlich nach dem Grund dieses aus Freuds Perspektive „unsinnigen“ Verhaltens. Freud verdeutlicht, dass die Besänftigung ominöser bedrohlicher Mächte in primitiven Religionen oder in Form des Vatergottes in monotheistischen Religionen zwar keine reale Hilfe bringe, für den Gläubigen selbst aber wohl eine seelische Entlastung darstelle. Freud stellte es so dar: Kinder finden Schutz bei Erwachsenen. Diese stünden im Erwachsenenalter nicht mehr zur Verfügung, doch der gesellschaftliche Druck bleibe bestehen. Die Religion sei eine einfache, angebotene und illusionäre Zuflucht für den Erwachsenen. So ist für Freud Religion grundsätzlich eine „psychologisch hilfreiche“ Illusion.
Dennoch forderte Freud die Abschaffung von Religion, denn er bezweifelte, dass die Religion über die Jahrtausende lange Zeit ihrer Existenz das Leben des Menschen glücklicher und erfüllter gemacht hätte. Und er prangerte an, dass der Mensch nur durch Überwindung dieser Neurose tatsächliches, gesundes Glück finden könne. Ebenso sei Religion nicht nur Maß der Sittlichkeit, sondern auch Stütze der Unsittlichkeit gewesen. Konsequenterweise könne Religion also abgeschafft werden, wenn an ihre Stelle ein anderer moralischer Maßstab gesetzt wird: die Vernunft / die Rationalität. Nicht religiöse Regeln und Verbote sollen lt. Freud die Triebwunsche des Menschen von oben herab bändigen, sondern die eigene Vernunft, die Intelligenz. Der Mensch solle seine Erwartungen vom Jenseits lösen und sich mit all seinen Fähigkeiten und Kräften auf seine diesseitige Existenz beziehen. Das könne und müsse der mündige, erwachsene, reife Mensch leisten.
Feuerbach
Marx
Freud
Religionskritik
Bei keinem dieser Argumentationsgänge handelt es sich um einen empirischen Beweis. Dieses Prinzip würde dem biblisch-christlichen Gottesverständnis aber auch widersprechen. Denn ein Gott, den ich „messen“ kann, unterliegt menschlichen und irdischen Bedingungen (Kontingenz). Dies ist für den biblischen Gott aber abzulehnen (Transzendenz).
Und auch wenn sich Gottes Existenz auf Grundlager dieses Glaubensverständnisses weder beweisen noch widerlegen lässt, gab es in der Geschichte – und gibt es bis heute – Religionskritiker, die genau diesen Versuch unternehmen: Sie wollen Gottes Existenz widerlegen.
Unter „Religionskritik“ versteht man im weitesten Sinn all die Äußerungen, die gegen Religion schlechthin oder eine bestimmte Glaubensgemeinschaft mit ihrer Weltsicht und ihren Lebensvollzügen Einwände erheben und sie in Frage stellen.
Man unterscheidet drei Formen:
1. Die immanente (oder interne) Kritik richtet sich an die Glaubens– oder Religionsgemeinschaft. Die Kritik will vorwiegend auf den „rechten Weg“ des Glaubens führen. Die immanente Kritik erfolgt aus Solidarität. Nur Teilaspekten steht sie ablehnend gegenüber, etwa bestimmten Institutionen, Handlungen, weltbildhaften Elementen usw . (Z.B. Propheten Israels, Kritik innerhalb der Kirchen, Kritik des Christentums….)
2. Die interreligiöse Kritik ergibt sich aus der wechselseitigen „Konkurrenz“ der Religionen, sei es in der missionarischen Praxis, der apologetischen Polemik, der theologischen Kontroverse oder auch dem verständigungsbereiteren Dialog.
3. Die Religionskritik im engen Sinn bezieht sich auf das Phänomen „Religion“. Selbst wenn sie einige ihrer Momente positiv würdigt oder für bewahrenswert erachtet, so stellt sie ihre Glaubwürdigkeit und Berechtigung in Frage. Sie scheint ganz „von außen“ zu argumentieren und wird deshalb gelegentlich als „externe“ Religionskritik der „immanenten“ gegenübergestellt. Unter „Religionskritik“ versteht man heute vor allem die Religionskritik im engeren Sinn, deren Ziel in der Regel der Atheismus ist und die die Existenz Gottes in Frage stellt.
Atheismus (von griechisch a = nicht, ohne und theos = Gott) meint die Leugnung Gottes. Der theoretische Atheismus meint eine bewusste und begründete Ablehnung Gottes und ist verbunden mit dem Versuch, an die Stelle des Gottesglaubens eine bessere, aufgeklärtere Lebenshaltung zu setzen. Dieser dogmatische Atheismus kann als doktrinärer in Erscheinung treten (d. h. mit dem Versuch rein theoretischer Begründung, etwa im Zusammenhang eines materialistischen Gesamtsystems) oder aber aus vorwiegend existenziellem Interesse als postulatorischer (d. h. als Voraussetzung für das Ja zum Menschen, zu seiner Weltaufgabe und seinem freien Selbstwerden). Man spricht in diesem letzten Fall auch von humanistischem Atheismus. Der praktische Atheismus meint die Gleichgültigkeit gegenüber der Gottesfrage. Man erwartet von ihrer Beantwortung keine Folgen für das gesellschaftliche und persönliche Leben. Es geht auch ohne Gott. Der methodische Atheismus geht von der Einsicht aus, dass exakte Wissenschaften ihre Aussagen darauf beschränken müssen, was sie aufgrund ihres Gegenstandsbereiches und ihrer Methode erkennen und überprüfen können. Da es in den Naturwissenscharten nicht um Gott geht und sich ihre Methodik auf Ursache-Wirkung-Zusammenhänge beschränkt, können sie keine Aussagen über Gott machen. Regelmäßig taucht in der Geschichte und Gegenwart auch ein kämpferischer und militanter (missionarischer) Atheismus auf, der eine Gegenreaktion auf extreme religiöse Bewegungen sein kann, manchmal aber auch eine persönliche Abrechnung mit belastenden religiösen Erfahrungen darstellt.
Der Agnostizismus (von griech. agnostos = unerkennbar, unbekannt) weigert sich Aussagen über einen Bereich zu machen, der außerhalb der sinnlichen Wahrnehmung liegt, leugnet jedoch nicht dessen mögliche Existenz.
Wegweisend für die Religionskritik war gewiss der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach (1804-1872). Er studierte zuerst Theologie, hielt den Glauben an ein höheres Wesen, insbesondere aber das Christentum für ein Hirngespinst des Menschen. Er wandte sich der Philosophie zu und wurde 1828 selbst Privatdozent für Philosophie an der Universität Erlangen. Seine Religionskritik wird mit dem Schlagwort „Projektionstheorie“ verknüpft. Ich will ehrlich sein: Seine Texte sind sprachlich und stilistisch komplex, etwas verwirrend und haben schon Generationen von Oberstufenreligionsschülern in den Frust getrieben. Bei den hier angebotenen Materialien handelt es sich daher um Darstellungstexte, vereinfachte Auszüge aus den Originaltexten und Schaubilder, womit der Erkenntnisgewinn im Vergleich zu einer reinen Auseinandersetzung mit Originaltexten optimiert werden soll.
Dawkins
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Richard Dawkins und der aggressive Atheismus
Als aggressivster Religionskritiker gilt heute Richard Dawkins. Er sieht in Religion eine Gefährdung des Einzelnen und der Gesellschaft, bezeichnet Religion sogar als „Virus“, der bekämpft werden müsse (aggressiver Atheismus).
Dawkins sieht Religion grundsätzlich als wissenschaftsfeindlich an, da Gläubige sich von jeglicher wissenschaftlicher Begründungsverantwortung befreien würden. Er sieht in religiöser Erziehung sogar eine Form von „geistigem Missbrauch“, erkennt in Religion zudem den pervertierten Rest kindlichen Gehorsams. Gott könne nicht bewiesen werden, seine Existenz sei aus wissenschaftlicher Perspektive aber hoch zweifelhaft. Dawkins provoziert, indem er ein Szenario von einer fliegenden Teetasse im Universum entwickelt, von dem behauptet würde, sie könne nicht gesehen werden, hätte aber das Weltgeschehen in der Hand. Jeder würde den Behauptenden für verrückt erklären. Ersetze man die Teetasse aber durch Gott, dann würde die Argumentation anerkannt. Höhere Bildung sei das Mittel der Wahl gegen den „Gotteswahn“, denn Religiösität nehme mit höherer Bildung automatisch ab.
Dawkins erkennt einen logischen Weg von Religion zu Gewalt, denn die Ethik der Religionen sei brutal, Gott eine eifersüchtige und jähzornige Figur. Der Drang „Gutes zu tun“ sei bei den Gläubigen aus der Angst vor göttlicher Strafe begründet und damit egoistisch.
Man kann Dawkins entgegnen, dass er selbst eine fundamentalistische Argumentationsweise pflegt, also genau das praktiziert, was er den Gläubigen vorwirft. Denn für Dawkins gibt es ist abseits der eigenen Argumentationsmuster keine mögliche Wahrheit. Darüber hinaus muss natürlich festgehalten werden, dass im Namen Gottes und aus religiösen Motiven viel Leid in die Welt gebracht wurde. Insofern kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass Religion auch zu Gewalt führt. Aus christlicher Perspektive kann es sich bei solchen Vorgängen aber nur um eine radikale Manipulation der Botschaft Jesu handeln, denn Jesus selbst predigte Feindesliebe und Gewaltverzicht. Ein Leben in der Nachfolge Jesu kann der Welt letztlich nur zum Vorteil gereichen und ihr nicht schaden. Ferner wurden die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen von Systemen begangen, die sich gegen Religionen wanden (Hitler, Mao, Stalin). Der Gott des NT ist ein liebender, vergebender Gott, der selbstbestimmte Menschen als Erben eingesetzt hat. Die biblische Ethik ist allgemein anerkannt; Freud und Feuerbach sehen Gott als eine positive Figur, die Gottesvorstellung bei Dawkins ist eine reine Perversion und passt höchstens ins Spätmittelalter. Dort ist auch das Verständnis von der Werkgerechtigkeit zu verorten. Die Rechtfertigungslehre zeigt, dass Protestanten Menschen gewiss nicht zu Erfüllungsinstrumenten der eigenen Heilsgewissheit degradieren müssen. In vielen Religionen tut der Mensch „das Gute“ nicht für sich selbst oder um vor Gott zu bestehen, sondern aufgrund religiöser Überzeugung; der Mensch liebt, weil er selbst Liebe erfahren hat. Alle positiven Auswirkungen, die Religion haben kann (Hoffnung, Trost, Halt) werden bei Dawkins ausgeblendet, weshalb auch hier ein sehr einseitiges (und sehr negatives) Religionsverständnis vorliegt.
Und Jetzt?
- Sprich mit anderen über die Themen!
- Nutze dabei die Fachsprache! Und binde die biblischen Texte sinnvoll an.
- Sprich darüber, was die Themen miteinander zu tun haben?
- Wo können sinnvolle Handlungsfelder oder Perspektiven eröffnet werden?
- Überlege Dir, was diese Themen mit Dir, unserer heutigen Gesellschaft und Deinem Leben zu tun haben. Wo liegen Schnittmengen?
Hier nochmal die verbindlichen Grundbegriffe:
- Atheismus, Bilderverbot, deus absconditus, Fundamentalismus, JHWH, Religionskritik, Nachfolge, Theodizee, Trinität, Monotheismus, Exklusivismus / Inklusivismus / Pluralismus
- Ex 3,1-15 (Moses Berufung); Ex 20,2-4 (Präambel, Fremdgötter- und Bilderverbot); Hiob (Auswahl durch die Lehrkraft)
Erworbene Kompetenzen
Kompetenzen
- Du erklärst die Spannung zwischen der Rede von Gott und der Unverfügbarkeit Gottes (vertiefend für P4)
- Du setzt Dich mit der Theodizeefrage und der Erfahrung der Abwesenheit Gottes auseinander.
- Du vergleichest die trinitarische Gottesvorstellung mit dem jüdischen und islamischen Monotheismus.
- Du stellst anhand konkreter Beispiele Möglichkeiten und Grenzen der interreligiösen Verständigung dar.
- Du beschreibst das besondere Verhältnis zwischen Christentum und Judentum aus christlicher Perspektive.
- Du zeigest auf, wie sich Menschen als von Gott angesprochen erfahren und wie sich dies auf ihr Leben auswirkt.
- Du nimmst zu einem klassischen religionskritischen Konzept theologisch begründet Stellung (vertiefend für P4)