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Welche Herausforderungen stellt der Distanzunterricht?

Kann Videounterricht nicht trotzdem auch guter Unterricht sein?

Videounterricht wird von vielen als probates Werkzeug im Distanzunterricht gesehen. Können Sie diese Einschätzung teilen?

Viele Eltern machen sich tatsächlich Sorgen, wenn ihre Kinder Stunden über Stunden am Smartphone, am Tablet oder am PC hängen. Ist es bei Distanzunterricht überhaupt möglich, die Schüler vom Bildschirm wegzukriegen?

Wie stehen Sie zum Thema "Erklärvideos"?

Welche Herausforderungen stellt der Distanzunterricht?

Die Unberechenbarkeit der Pandemie-Entwicklung macht das Leben aller zu regelrechten Qual. Man kann leider nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Alle Maßnahmen zur Eindämmung sind letztlich sehr gut gemeinte Versuche, die alle gemeinsam haben, dass sie die Hoffnung in sich tragen, damit dem Virus endlich den Garaus zu machen. Damit verbunden sind die häufig kurzfristigen Maßnahmen im Bildungsbereich wie Lockdown, Teil-Lockdown, Quarantäne-Maßnahmen von ganzen Klassen oder Lehrkräften, die dann im Präsenzunterricht schmerzlich vermisst werden. Die mangelnde Planungssicherheit und das Fehlen von bayernweiten, schulartübergreifenden und zuverlässigen technischen Rahmenbedingungen machen es unmöglich, gut abgestimmte Lösungen für den Distanzunterricht anbieten zu können. Jede Schule ist so gezwungen, das "digitale Rad" für sich selbst neu zu erfinden und Konzepte ad hoc aus dem Hemdsärmel hervorzuzaubern. Auf der anderen Seite stehen dann die Adressaten - Eltern und Schüler, bei denen dies alles bestmöglich ankommen soll und am besten noch mit einem Angebot, das jedem Haushalt mit seinen ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, Rahmenbedingungen, technischen und finanziellen Möglichkeiten, Homeoffice und Arbeitszeiten der Eltern gerecht wird. Das ist eine Quadratur des Kreises, die nur bedingt zu 100% von Erfolg gekrönt sein kann.

Videounterricht wird von vielen als probates Werkzeug im Distanzunterricht gesehen. Können Sie diese Einschätzung teilen?

Alleine der Begriff "Videounterricht" suggeriert, dass dies wohl eine ganz hervorragende Möglichkeit zu sein scheint, den Präsenzunterricht ins Internet zu transferieren. Ich bin der Meinung, dass dies eine äußerst trügerische Sichtweise ist. Wollten wir generell rechtlich sauber Videounterricht einsetzen, müssten wir unter anderem dafür Sorge tragen, dass Schüler alleine in einem Raum an einer Videokonferenz teilnehmen. Es dürfte beispielsweise kein Elternteil bei einer Videokonferenz dabei sein und sein 10-jähriges Kind bei technischen Problemen unterstützen. Dass die Realität anders aussieht, ist selbstredend. Des Weiteren kam es in den letzten Tagen in den sozialen Netzwerken zu Aufrufen zu Unterrichtsstörungen, die unter dem Hashtag #onlineunterrichtstürmen Verbreitung finden. Dabei werden u. a. Links zu Videokonferenzen öffentlich bekannt gegeben und fremde Personen aufgefordert, in den Unterricht zu kommen und diesen zu sabotieren. Viele Schulen in Nachbargemeinden sind bereits davon massiv betroffen. Präsenzunterricht findet im Schutzraum Schule statt, Videounterricht verlässt diesen nun und ist hier teilweise regelrecht schutzlos.Grundsätzlich muss man sich aber auch die berechtigte Frage stellen, was hinsichtlich des Lernerfolgs durch Videounterricht erreicht werden will.

Kann Videounterricht nicht trotzdem auch guter Unterricht sein?

Das will und kann ich nicht ausschließen. Aber auch hier gilt, dass wir nur äußerst unzureichende Erfahrungen haben. Unterm Strich müssen wir hierzu die paar wenigen Wochen des Distanzunterrichts anschauen, in denen Videounterricht eine Rolle spielt oder gespielt hat. Die Zeitspanne ist äußert kurz, um wirklich gute und zutreffende Aussagen zu machen. Aktuell bin ich aber sehr skeptisch. Wir beobachten, dass Schüler sehr gerne ihre Kamera bei Videokonferenzen ausschalten, dass aus rein technischen Gründen bei vielen Videokonferenzplattformen im unterrichtlichen Einsatz die Mikrofone erst einmal ausgeschaltet sind. Je älter die Schüler sind, desto mehr ist eine Lehrkraft damit konfrontiert, mit dem Bildschirm zu sprechen und nicht mit den Kindern, weil ganz viel Interaktion nicht stattfindet. Man kann nicht sehen, was die Kinder während der Videokonferenz machen: Arbeiten sie konzentriert mit? Chatten sie über WhatsApp mit ihren Freunden? Beschäftigen sie sich mit anderen Dingen?Seitdem im Bereich der Schulentwicklung die Unterrichtsqualität im Fokus steht, lassen sich alle Bestrebungen dazu auf eine einfache Formel bringen: Den Sprechanteil der Lehrkräfte senken und die Eigenaktivität der Schüler steigern. Videounterricht, wie er aktuell in der Breite stattfindet, wirkt daher gegenteilig. Zudem muss man sich auch bewusst machen, dass dadurch die sogenannte "Bildschirmzeit" der Kinder massiv erhöht wird.

Viele Eltern machen sich tatsächlich Sorgen, wenn ihre Kinder Stunden über Stunden am Smartphone, am Tablet oder am PC hängen. Ist es bei Distanzunterricht überhaupt möglich, die Schüler vom Bildschirm wegzukriegen?

Natürlich ist das nur bedingt möglich, weil digitale Endgeräte die einzige Möglichkeit darstellen, den Unterrichtsbetrieb aufrecht zu erhalten. Jede Aufgabenstellung im "Unterricht daheim", die dem entgegenwirkt, ist daher absolut begrüßenswert. Jede mediale Übertagung von Unterrichtsinhalten sollte also einen möglichst hohen Nutzen haben.

Wie stehen Sie zum Thema "Erklärvideos"?

Sie sind für die mediale Übertragung von Unterrichtsinhalten von hohem Nutzen. Egal ob von einer Lehrkraft selbst produziert oder von Drittanbietern (dann aber durch die Lehrkraft inhaltlich geprüft). Im Gegensatz zu einem Live-Stream wie bpsw. im Videounterricht kann man dieses dann auch öfter anschauen oder Passagen wiederholen, die noch unverständlich waren. Des Weiteren ist die Unabhängigkeit von einem vorgegebenen Zeitpunkt wie bei einem Videounterricht ein weiterer Vorteil; insbesondere dann, wenn sich zwei oder drei schulpflichtige Kindern ein Laptop mit einem Elternteil im Homeoffice teilen müssen.